10 Jahre Fukushima: der Atomreaktor in Wien

Wissen / 11.03.2021 • 08:05 Uhr
10 Jahre Fukushima: der Atomreaktor in Wien
Seit 1962 dient der Reaktor der Ausbildung und Forschung rund um Kernenergie und Quantenphysik. APA

Zwar sprach sich Österreich 1978 gegen Atomenergie aus, ganz ohne Kernspaltung geht es jedoch nicht.

Wien Am 5. November 1978 fiel die Abstimmung in Vorarlberg klar aus: 84,4 Prozent stimmten gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf. Im Land war man sensibilisiert, da die Schweiz damals ein Atomkraftwerk in Rüthi bei Meiningen plante. Daher war selbst die Landes-SPÖ gegen das AKW, das Land selbst Zünglein an der Waage: Österreich stimmte mit 50,5 Prozent gegen das Kraftwerk. Die Abstimmung wurde zum Anstoß für mehr direkte Demokratie in Österreich und eine Wurzel der Grünen-Bewegung.

1978 hätte Zwentendorf ans Netz gehen sollen. Per Volksabstimmung wurde dem jedoch ein Riegel vorgeschoben. <span class="copyright">APA</span>
1978 hätte Zwentendorf ans Netz gehen sollen. Per Volksabstimmung wurde dem jedoch ein Riegel vorgeschoben. APA

Dennoch ist am Rande des Wiener Praters ein Kernreaktor im Dauerbetrieb. Seit 1962 arbeitet hier, nur drei Kilometer vom Stephansdom entfernt, ein Reaktor, 220 Tage im Jahr. Seine Spitzenleistung: 250 Kilowatt, Autoliebhaber würden von 340 PS sprechen.

Bei der Anlage handelt es sich um den TRIGA Mark II der TU Wien, der letzte von einst drei in Österreich betriebenen Forschungsreaktoren. Entwickelt wurde er von Edward Teller, dem Vater der Wasserstoffbombe. “Teller wollte wohl einmal etwas erfinden, das nicht gefährlich ist”, lacht Andreas Musilek, Leiter des TRIGA Zentrum Atominstitut. TRIGA ist ein speziell für Forschung und Lehre konzipiert. Er ist physikalisch so aufgebaut, dass er kurz überkritisch sein kann, sich dann selbst reguliert. Eine Fähigkeit, die dem Reaktor von Tschernobyl 1986 fehlte und daher zur Katastrophe führte. Das Reed College in Oregon geht sogar so weit, ihren TRIGA tatsächlich rein von Studenten betreiben zu lassen.

10 Jahre Fukushima: der Atomreaktor in Wien
Andreas Musilek ist Leiter des TRIGA Zentrums.

“Eigentlich ist er eine große Neutronenquelle”, erklärt Musilek den Nutzen von TRIGA. Diese sind notwendig für die Quantenforschung, der derzeit primären Forschungsrichtung am Atominstitut. Erst im Februar verkündete man große Erfolge bei der Produktion verschränkter Atompaare, derzeit arbeitet man an abhörsicheren Kommunikationskanälen auf Quantenbasis. Archäologen hilft er beim Nachweis von Spurenelementen. Die Atomenergiebehörde der UNO schult hier bis heute ihre Inspektoren. Vor zehn Jahren richtete das Institut ein Callcenter ein, um Fragen zur Katastrophe von Fukushima zu beantworten.

Ganz ohne den Reaktor geht es demnach nicht: Der derzeitige Pachtvertrag für die Brennstäbe läuft bis 2025, die Verhandlungen für eine Verlängerung stehen bereits auf der Tagesplanung.