“Tat nur, was ich tun musste”

Vorarlberg / 07.05.2017 • 22:21 Uhr
Ulrike Sohm, Johannes Sohm und Felix Albrecht (v.l.): Hier holten sie den Säugling aus der Ach. Foto: VN/Steurer
Ulrike Sohm, Johannes Sohm und Felix Albrecht (v.l.): Hier holten sie den Säugling aus der Ach. Foto: VN/Steurer

Ohne Johannes Sohm und seine Helfer wäre ein zwei Monate alter Säugling jetzt tot.

Au. Wie rette ich ein Leben? Darauf kann Johannes Sohm seit dem 6. Mai 2017 jetzt immer eine authentische Antwort geben. Aber auch seine Schwester Ulrike (22) und Felix Albrecht (55) sind dafür verantwortlich, dass ein zwei Monate altes Baby nicht in den reißenden Fluten der Bregenzerach sein junges Leben lassen musste.

Es war am vergangenen Samstag gegen 15 Uhr. Felix Albrecht  ist auf der L 200 kurz nach der Galerie Richtung Schoppernau unterwegs. Plötzlich nimmt er ein panisch am Uferweg rennendes Kind wahr. „Kurz darauf sehe ich den Kinderwagen in der Ach. Und eine Frau, die diesem verzweifelt nachschwimmt.“

Albrecht dreht um, rast zurück. Er parkt sein Auto, springt den Abhang hinunter in die Ach. „Als ich merke, dass ich die Frau nicht erwische, schreie ich um Hilfe.“ Das hören Johannes Sohm und seine Schwester Ulrike, die an der Kletterwand beim Galerieausgang ihrem Hobby frönen.

Dramatische Momente

Die beiden zögern keine Sekunde. Blitzschnell seilen sie sich ab und sprinten über die Straße. „Fast hätte mich noch ein Auto niedergefahren“, erinnert sich Johannes. Er springt den Abhang zum Fluss hinunter und stürzt sich ins Wasser. Er sieht eine Decke, den Kinderwagen und die Frau im Wasser treiben. Erst dann nimmt der 20-Jährige auch den Säugling wahr.

„Gott sei Dank bekomme ich ihn zu greifen und kann das Gögle rausziehen“, schildert er jenen dramatischen Moment, in dem ein Kleinkind vor dem sicheren Tod bewahrt wird. „Hätte der Johannes das Baby nicht zu fassen bekommen, wäre es mit dem Fluss an der Galerie vorbeigetrieben worden. Und dort hätte man es weder gesehen, noch wäre man von dort in die Ach gekommen“, verdeutlicht Felix Albrecht die Schicksalshaftigkeit der Situation.

Noch nicht verdaut

„Ich habe sofort gemerkt, dass das Kind noch lebt. Es hat gespudert, Wasser lief ihm aus dem Mund. Und dann hat es geschrien“, erzählt Johannes. „Das war für uns alle das beste Zeichen, das wir bekommen konnten“, wirft Albrecht ein. Auch die junge Mutter wird gerettet. Doch die Frau ist wie von Sinnen. „Wo ist mein Baby, wo ist mein Baby?“, schreit sie unablässig. „Sie hat nicht realisiert, dass wir ihr Kind gerettet haben“, berichtet Ulrike. Sie erhält von den mittlerweile eingetroffenen Rettungskräften Beruhigungsspritzen und wird mit ihrem Säugling ins LKH Feldkirch gebracht.

Die drei Retter haben die aufregenden Minuten auch 24 Stunden später noch nicht ganz verdaut. Johannes Sohm wundert sich, „wie ich einfach diesen Abhang Richtung Ach hinunterspringen konnte. Jetzt, wo ich ruhig hier stehe, kann ich mir das gar nicht vorstellen.“

Schlaflose Nacht

Dass er ein Menschleben gerettet hat, will der junge Auer gar nicht so hoch bewertet wissen. „Ich tat doch nur, was ich tun musste.“ 

Er, seine Schwester und auch Felix Albrecht haben eine schlaflose Nacht hinter sich. „Du kannst dich nach einem solchen Erlebnis nicht einfach ins Bett legen und schlafen“, beschreibt Ulrike den Ausnahmezustand, den alle drei erst noch abstreifen müssen. „Nein, an Schlaf war nicht wirklich zu denken“, sagt auch Albrecht. Alle drei nicken. Ihre Gedanken sind bei Mutter und Kind im Spital.

Noch haben sie sich nicht mit dem Vorhaben befasst, die beiden im Spital zu besuchen. Johannes Sohms Sorge ist jetzt, dass man ihn als Held feiern könnte. „Bitte tut das nicht. Das mag ich nicht.“

Ein Wunsch, der sehr schwer zu erfüllen ist.

Nach so einem Erlebnis kannst du nicht einfach schlafen.

Ulrike Sohm