Über Genie und Gefahr der Psychopathen

Mord(s)geschichten von Gerichtspsychiater Reinhard Haller.
Mäder Menschliche Schreckensphänomene wie Serienmörder Jack Unterweger oder das berüchtigte Bombenhirn Franz Fuchs nahmen persönlich bei ihm Platz: Reinhard Haller aus Mellau, international bekannte Koryphäe der Gerichtspsychiatrie, präsentierte auf Einladung der „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ (VKÖ) im vollbesetzten J.J.-Ender-Saal in Mäder faszinierende, doch auch recht nachdenklich stimmende Details aus dem Potpourri seiner 34-jährigen Erfahrung als Gerichtspsychiater. Ein Beruf, den er selbst als ein „spannendes, schwieriges und umstrittenes Fach“ bezeichnet. „Von mir wollte man nur wissen, ob die verrückt sind oder nicht“, umschrieb er seine Tätigkeit.
Jack Unterweger
Da war einmal Jack Unterweger, verurteilt wegen Mordes an mindestens elf Prostituierten. „Es war ein Anruf aus Graz mit der Anfrage, ob ich Unterweger untersuchen würde“, erinnerte sich Haller, „und zwar gleich mit dem Hinweis, dass sich Unterweger nicht begutachten lasse.“ Doch es funktionierte. „Die Diagnose über diesen Serienmörder war von Anfang an sehr klar. Er war sehr selbstsicher, hatte einen gewissen Charme, war ein Frauenliebling und erhielt zahlreiche Heiratsanträge aus aller Welt“, sagte der Gerichtspsychiater. Doch nach vertraulichen Gesprächen mit Unterweger schilderte Haller ihn auch als extrem sadistischen Sexualmörder. „Er hat als Kind mit seinem Großvater Kühe geklaut, sie geschlachtet und verkauft“, so Unterwegers erste Schritte in die Kriminalität. „Bei seinem ersten Mord in Hessen peitschte er bei zehn Grad minus eine Frau eine Stunde lange mit einer Stahlrute durch den Wald und erwürgte sie dann.“
Während seiner Haft entdeckte Unterweger die Literatur, lernte lesen, verfasste selbst Bücher, wurde öffentlich bekannt und mauserte sich zur rechten Hand des übermächtigen Anstaltsleiters. Bis er entlassen wurde. „Und er ging hinaus als höchst gefährliches Wesen“, sagte Haller. Serienmorde an Prostituierten folgten, in einem Fall auch in Vorarlberg. Verdachtsmomente brachten den Steirer schließlich in Untersuchungshaft, in der er mit Haller konfrontiert wurde. „Überführt mich wegen einer einzigen Lüge und sprecht mich schuldig“ habe er zu den Geschworenen gesagt. „Doch er rechnete nicht mit dem damaligen Quantensprung der Gerichtsmedizin“, so Haller, „so wurde er durch eine Faser seines Schals überführt, die am Körper eines Opfers gefunden wurde. Und er sagte zu mir: Meine Geschichte war so perfekt, und jetzt bleibe ich an einer saublöden Faser hängen.“
Vorgetäuschter Selbstmord?
Nach seiner Verurteilung wurde Unterweger erhängt in seiner Zelle gefunden. Der Gerichtspsychiater ist noch heute überzeugt, dass es eine schiefgelaufene Vortäuschung eines Selbstmordes war. Die Untersuchung der Knoten des Schnürsenkels hätten dies ergeben.
Der „Test“ von Franz Fuchs
Da war auch das Bombenhirn Franz Fuchs, verantwortlich für Briefbombenserien und den Mord an mehreren Menschen mittels einer Rohrbombe. „Der genialste Verbrecher und interessanteste Fall, der mir je untergekommen ist“, betont Haller. Auch Fuchs wollte sich nicht begutachten lassen. „Erst als ich dem Steirer aus Gralla auf seine Frage antworten konnte, dass die Schlacht mit den Schweizern bei Frastanz am 20. April 1499 stattgefunden hatte, erklärte er sich dazu bereit. Dabei wusste ich das nur durch einen Zufall, da ich mich an einen Gedenkstein in Frastanz erinnerte. Fuchs hatte damit fälschlicherweise gemeint, ich hätte Qualität“, lachte der Vorarlberger Experte bescheiden.
Hass und Kränkung
Der Verbrecher Fuchs sei eine Armee von intelligenten Wissenschaftlern in einer Person gewesen, ein genialer Bombenbauer, Historiker und Psychologe. Doch auch eine schwer gekränkte Person, in tiefem Hass verfangen und von einem Verfolgungswahn gequält, der ihn schließlich in den Selbstmord getrieben hat. Und selbst das so ausgeklügelt, dass ihm der Suizid trotz seiner Armstümpfe in der kargen, am besten bewachten Gefängniszelle Österreichs innerhalb von 18 Minuten gelungen sei.
„Von mir wollte man nur wissen, ob die verrückt sind oder nicht.“

