“Politik raus aus Klassenzimmern”

Andreas Salcher kennt die Lösungwege für Reformen im Bildungssystem. Nur umsetzen muss man sie noch.
Bregenz. Andreas Salcher ist kritisch, aber zurecht. Schließlich geht es ihm um eines der wichtigsten Themen überhaupt: Um die Bildung und damit auch um die Zukunft unserer Kinder. Er ist aber nicht nur kritisch, sondern hat auch die entsprechenden Lösungsvorschläge parat. Fünf sind es an der Zahl. Vier davon wurden ins Regierungsprogramm übernommen.
Der erste Vorschlag Salchers dreht sich darum, die besten Kindergärten und Volksschulen zu haben. „Die soziale Diskriminierung gibt es, nur wenn man die Kinder entsprechend ihrer Begabungen und kognitiven Kompetenzen fördert, kann man sie bekämpfen und das mit maximalem Nutzen und geringem Aufwand“, so der Bildungsexperte. Die gemeinsame Schule mache daher keinen Sinn, solange das Problem der Diskriminierung nicht gelöst werde. Sowieso gebe es in der EU mit Ausnahme der Slowakei kein einziges Land, in dem Kindergartenpädagoginnen keinen akademischen Abschluss haben. „Man muss sie nicht zu Universitätsprofessorinnen machen, sondern ihnen einen entsprechend hohen Stellenwert geben“, erklärt Salcher. Nicht jedes Kind müsse Nobelpreisträger werden. Aber das Problem aktuell sei, dass Kinder mit einseitigen Begabungen, die vielleicht in Mathematik nicht so gut sind, später aber Spitzensportler oder Musiker werden, so durch den Rost fallen. Es gehe um Lernfreude, um Selbstreflexionsfähigkeit. Auch die Ganztagsschule könne dazu beitragen, die soziale Diskriminierung auszugleichen. „Dort gibt es längere Lern- und Erholungsphasen, Bewegung und ein gemeinsames Essen“, so Salcher.
Modernes Lehrerbild
Die gemeinsame Schule sei dabei nicht entscheidend. Viel wichtiger sei die pädagogische Autonomie der Schule. Heißt, dass die Schule selbst entscheidet. Ebenfalls solle die 50-Minuten-Stunde abgeschafft werden. Österreich brauche ein Lehrerbild, das ins 21. Jahrhundert passt. Ein Lehrer darf nicht nach 50 Minuten bezahlt werden. Vielmehr braucht es ein Jahresarbeitszeitmodell für Lehrer. Das sei der Schlüsselfaktor. Und dazu gehöre auch ein ordentlicher Arbeitsplatz. Aktuell gebe es die Situation, dass man nicht einmal jedem Lehrer eine E-Mail schicken könne.
Der Druck steigt
Der Druck für eine echte Bildungsreform durch die Öffentlichkeit, die Eltern und die Wirtschaft werde immer größer. „Nicht jeder 15-Jährige kann nach neun Jahren Schule ausreichend lesen oder schreiben“, bringt Salcher ein Beispiel für die Unzufriedenheit. Die Politik solle die Rahmenbedingungen vorgeben und die Ressourcen stellen, aber sich aus den Schulen und den Klassenzimmern zurückziehen. Auch die Öffentlickeit, die Eltern, die Wirtschaft werden die Politik hoffentlich zwingen, etwas zu tun. Salcher selbst ist jedenfalls „kurzfristig pessimistisch, aber langfristig optimistisch“ dass etwas passiere und dass eine Reform kommen muss. Denn Österreich gehe das Geld aus. „Wir haben das zweitteuerste Schulsystem in der euopäischen Union. Trotzdem sagen die Direktoren, dass sie nicht genug Geld haben. Aber es ist genug Geld da. Es muss nur dort hingehen, wo es hingehört.“
Der Druck durch die Öffentlichkeit, die Eltern und die Wirtschaft auf die Politik wird immer größer.
Andreas Salcher
Zur Person
Andeas Salcher
Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule, Berater und Buchautor
Geboren: 18. Dezember 1960, Wien
Ausbildung: Doktor der Betriebswirtschaft, „Program for Senior Manager in Government“ Harvard University