Die jungen Wilden in der Felswand

In der Kletterhalle K1 wachsen Jugendliche über sich und die Erdanziehung hinaus.
Ohne Höhenangst. Ein frühsommerlicher Donnerstag, spätnachmittags, Sonnenschein und blauer Himmel. Trotz schönen Wetters strömen unzählige Kinder und Jugendliche in die K1 Kletterhalle in Dornbirn. Das Training an der Wand ruft. Der Geruch von Kletterkreide liegt in der Luft. Immer wieder sieht man die Kletterer in der weitläufigen, hellen Halle in den kleinen Chalk-Bag greifen, den jeder Kletterer an der Hüfte trägt. Ein kurzes Verreiben des Kreideabriebs in den Händen und ein sicherer Halt in der Wand ist verbessert.
Clara Meusburger (20) instruiert eine Gruppe von rund zehn Kindern im Alter zwischen acht und zwölf Jahren vom Alpenverein Dornbirn, die sich um sie versammelt haben. „Es geht gleich zum Aufwärmen in den Boulderbereich“, sagt sie zur Gruppe. Clara ist Übungsleiterin und hat die Trainerausbildung zum Instruktor absolviert. Sie ist konzentriert und hat den Trainerblock fest im Griff. „Jetzt alle fertigmachen, dann gehen wir rüber und starten gleich.“
Jung übt sich
Die jungen Kletterfexe üben sich am Queren eines leichten Steigs an der Boulderwand im Nachwuchsbereich. Mit Softballs wird nach ihnen geworfen. „Wer getroffen wurde, muss runter von der Wand und Liegestütze machen“, informiert Meusburger. Als Nächstes wird mit Augenmaske geklettert. Dabei verlassen sich die jungen Gipfelstürmer voll und ganz auf die Anweisungen ihrer Kletterpartner, wo der Fuß hinzusetzen ist und wo die Hand einen Halt in der Wand findet. Es geht um Vertrauen und Wahrnehmung. Evi Meusburger ist seit zehn Jahren bei den Kletterern dabei, Gruppenleiterin der Sportkletterer und Kinderklettergruppe beim Alpenverein Dornbirn. „Ich bin durch meine sportlichen Kinder Clara und Laurin zum Klettern gekommen und dabei geblieben“, sagt sie mit einem Lächeln.
Griff für Griff
Der 17-jährige Simon Marxgut testet in der großen Halle Griff für Griff eine der Wettkampfrouten für die Landesmeisterschaften, die an diesem Wochenende in der Dornbirner Kletterhalle ausgetragen werden. Plötzlich, schon recht weit in die Höhe geklettert, fällt der Andelsbucher rund vier Meter tief.
Sein Sicherer Laurin Meusburger (16) wird ein paar Schritte nach vorne gezogen. Hat alles unter Kontrolle. „Je nachdem, wie viel Seil man gibt, wird man ein Stück weiter nach vorne gezogen.“ Laurin ist bereits seit zehn Jahren begeisterter Kletterer und erklärt: „Simon testet, ob die vom Routenplaner gesteckte Route für den kommenden Wettbewerb überhaupt kletterbar ist oder ob vielleicht ein Fehler gesteckt wurde. Er darf das, da er für diese Kategorie mit 17 Jahren bereits zu alt ist“, sagt Laurin, während sein Blick nicht vom Kletterpartner an der Wand abweicht.
Bouldern – ohne Seil und Gurt
Im Boulderbereich für Fortgeschrittene der Kletterhalle blickt ein Kletterer konzentriert die vor im stehende, nach vorn geneigte, überhängende Wand an. Die Wand ist übersät mit unzähligen unterschiedlich großen, bunten Griffen. Nemuel Feurle (14) plant zuerst die Route, die er zurücklegen will – ähnlich der Slalomfahrer, die vor dem Rennen im Geiste die Strecke zurücklegen. „Die verschiedenen Farben zeigen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade“, erklärt er. Nemuel wärmt sich mit Bouldern für die große Kletterwand auf.
Leistungsträger wie Nemuel wärmen sich rund eine halbe Stunde für das zwei- bis dreistündige Training auf. „Ich überlege mir im Vorhinein die Route, die ich klettern will.“ Beim Bouldern (engl. boulder für Felsblock) wird ohne Seil und Sicherheitsgurt geklettert, jedoch in Absprunghöhe.
Die ausgelegten weichen Matten unterhalb der Boulderwand garantieren dem Kletterer eine sichere Landung. Der junge Kletterer nimmt Griff für Griff die Wand, als gäbe es nichts Leichteres. Mit einem Sprung ist er vom obersten Griff wieder zurück auf dem weichen Boden gelandet und lächelt.
„An der Wand bleibt nicht mehr viel Zeit zum Überlegen“, weiß Trainer Mark Amann. Er trainiert in zwei Leistungskadern die 13- bis 18-Jährigen und die 9- bis 13-Jährigen zu leistungsstarken Wettkampfkletterern. „Über den Alpenverein oder die Naturfreunde gibt es die ersten Berührungspunkte mit den Sportkletterern“, sagt der 33-jährige Altacher. „In den Kadergruppen trainieren wir die Jugendlichen in der Technik und im Bereich Leistung, Kondition, Maximalkraft und Ausdauer weiter.“ Der achtmalige Staatsmeister weiß, wie die Nachwuchskletterer auf die Wettkämpfe optimal vorbereitet werden. Doch nun wird weiter trainiert. Die Leistungsträger Leonie Venier, Johannes und Andreas Hofherr haben schon die nächste Kletterroute fest im Griff.
Ich überlege mir im Vorhinein die Route, die ich klettern will.
Nemuel Feurle




Ausrüstung
Zum Klettern braucht man:
» ein Seil (je nach Länge 110–255 Euro; Kindern und Anfängern wird ein Seil gestellt),
» einen Klettergurt (50–120 Euro),
» Expressen-Set mit Karabiner (20–30 Euro)
» einen Chalk-Bag (25 Euro) und Chalk/Magnesium (4–10 Euro),
» Schuhe (40–135 Euro; bei Erwachsenen ist der Vorspann des Schuhs versteift, um besseren Halt zu haben; die Schuhe werden eher zu klein gekauft, um einen besseren Druck aufbauen zu können, und
» für den Außenbereich einen Helm (50–100 Euro)
Infos zum Thema Klettern und Bouldern geben die Vorarlberger Alpenvereine und Naturfreunde unter www.klettern-vorarlberg.at oder sind unter www.k1-dornbirn.at zu finden.