Von antiker Heldin bis zur Mutter in Corona-Zeiten

Extra / 06.05.2020 • 15:32 Uhr
Am Sonntag feiern wir Muttertag. Nach den anstrengenden letzten Wochen haben sich die Mütter diesmal besondere Aufmerksamkeit verdient. shutterstock
Am Sonntag feiern wir Muttertag. Nach den anstrengenden letzten Wochen haben sich die Mütter diesmal besondere Aufmerksamkeit verdient. shutterstock

Mütter nahmen immer schon eine besondere Rolle ein.

EHRENTAG Gerade für die Mamas waren die letzten Wochen besonders anstrengend. In Zeiten von Homeoffice und Homeschooling galt und gilt es, Extra-Herausforderungen zu bewältigen. Frauen sind besonders gefährdet, mit den außergewöhnlichen Belastungen über ihre Grenzen zu gehen. Das Leben ohne Kindergarten, Schule, Spielplatz und Großeltern geht an die Substanz. Da ist es nur angebracht, allen Mamis in diesem Jahr zumindest zum Muttertag seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

Mutterkult in Hellas

Mütter waren seit jeher besonders gefordert. Das wussten offenbar schon die alten Griechen, die bereits den Mutterkult gepflegt haben. So wurde im antiken Hellas etwa der Göttin Rhea besonders gehuldigt. Sie ist die Göttin der Fruchtbarkeit und der Mutterschaft. In Carl Gustav Jungs „Analytischer Psychologie“ gilt sie als der typische Mutter-Archetyp – auch Große Mutter oder Urmutter genannt. In der neueren Belletristik wird der Mutter-Archetyp insbesondere in Hermann Hesses Roman „Demian“ thematisiert, wo er als „Frau Eva“ auftritt.

Vom Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung wiederum spielte die Kindererziehung meist nur eine untergeordnete Rolle. Die Frauen waren mit der Arbeit auf dem Hof, dem Feld oder im Haushalt voll ausgelastet – die Kinder mussten mithelfen. Für ihre Erziehung waren Autoritäten wie Väter, Dienstherren, Geistliche, Lehrmeister etc. verantwortlich. Nicht viel anders war es bei den Fabriksarbeiterinnen. Ähnliches galt auch für den Adel und großbürgerliche Familien: Hier übernahmen Ammen, später Gouvernanten und Hauslehrer viele Aufgaben, die heute der Mutterrolle zugeordnet werden. „Erst ab dem 19. Jahrhundert setzte sich vor allem im Bildungsbürgertum der Muttergedanke durch. Mütterlichkeit wurde zu einer der Frau eigenen, besonderen Fähigkeit; die psychologische Beeinflussung der Kinder ersetzte mehr und mehr die körperliche Züchtigung“, schreibt Autor Martin R. Textor im Handbuch „Mutterschaft gestern – heute – morgen“.

Nelken zum Muttertag

Dennoch wurde in Großbritannien bereits im 13. Jahrhundert der sogenannte „Mothering Sunday“ gefeiert. Er wird heute noch zelebriert, allerdings bereits im März. Auch Napoleon wollte anno 1806 einen Muttertag einführen, konnte aber nach der Schlacht von Waterloo sein Vorhaben nicht mehr umsetzen. So richtig den Stein ins Rollen gebracht hat dann die amerikanische Frauenrechtlerin Julia W. Howe im Jahr 1872, als sie einen offiziellen Feiertag für Frauen forderte. Die Schriftstellerin veröffentliche eine „Mothers’ Day Proclamation“. Später trat Ann Maria Reeves Jarvis in Howes Fußstapfen und kämpfte für die Idee, einen Tag zu Ehren der Mütter im Kalender zu reservieren.

Belohnt wurde dieses Engagement schließlich am 8. Mai 1914, als in den USA jeder zweite Sonntag im Mai offiziell zum nationalen Ehrentag für Mütter bestimmt worden ist. Als Ausdruck ihrer tiefen Liebe zu ihrer Mutter ließ Ann Maria Reeves Jarvis 500 weiße und rote Nelken, die Lieblingsblumen ihrer Mutter, vor der Kirche an andere Mütter verteilen – eine Tradition, die bis heute gepflegt wird.

Heldin des Alltags

In den 1920er-Jahren verbreitete sich der Muttertag von England aus in die Schweiz, nach Finnland, Norwegen und schließlich 1924 auch nach Österreich. Hier gilt Marianne Hainisch, Begründerin und Führerin der Frauenbewegung in Österreich, als Initiatorin für die Verbreitung und Etablierung des Muttertages. Unterstützung fand sie in der Pfadfinderbewegung, die sich ebenso für einen Muttertag einsetzte. Die Nazis „missbrauchten“ den Festtag dann jedoch für ihre Propaganda – besonders kinderreiche Mütter wurden als Heldinnen des Volkes zelebriert und mit dem Ehrenkreuz ausgezeichnet.

Heute hat der Begriff „Heldinnen des Alltags“ eine ganz andere Bedeutung. Gerade in den letzten Wochen wurde sichtbar, was Frauen im Allgemeinen und Mütter im Speziellen für die Gesellschaft leisten. Deshalb haben sie sich zum Muttertag redlich Geschenke verdient. Bei der Wahl des Geschenks wird zu Altbewährtem gegriffen: Blumen sind mit deutlichem Abstand das meist gekaufte Muttertagsgeschenk. Pralinen und Schokolade folgen bei Frauen und Männern auf Rang zwei.