„Die beste OP ist keine OP“

Bei Problemen an der Wirbelsäule gehen Neurochirurgen vorsichtig zu Werke.
Wolfurt. (VN-mm) „Die beste OP ist keine OP.“ Mit diesem Satz drückte OA Dr. Pujan Kavakebi die ganze Vorsicht aus, mit der Neurochirurgen bei Problemen an der Wirbelsäule zu Werke gehen. „Zuerst sollten alle konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft werden“, betonte der Arzt bei seinem Mini-Med-Vortrag im Cubus in Wolfurt, der bis auf den letzten Platz besetzt war. Kaum verwunderlich, leiden doch 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung zumindest einmal im Leben an Kreuzschmerzen, wie Primar Dr. Richard Bauer, Leiter der Neurochirurgie im LKH Feldkirch, aufzeigte.
Die gute Botschaft: In den meisten Fällen verschwinden die Schmerzen ohne medizinische Intervention. Dennoch kosten Rückenschmerzen jährlich 4 bis 6 Milliarden Euro.
Abnützungserscheinungen
Mit den gängigsten, die Wirbelsäule betreffenden Krankheiten beschäftigte sich Primar Richard Bauer. Weil es sich bei der Wirbelsäule um ein sehr komplexes Teil handelt, in dem sich Schmerzen überall festsetzen können, sei eine spezifische Diagnose oft schwer möglich, musste der Neurochirurg einräumen. Vielfach sind Abnützungserscheinungen, die übrigens sehr früh einsetzen, der Auslöser für Schmerzen. Auch Tumore, Metastasen, Osteoporose, Bandscheibenvorfälle und Entzündungen lösen Schmerzen aus. „Belastungen des Alltags wie Stress und Burnout können Kreuzschmerzen ebenfalls verstärken“, brachte Bauer zudem psychische Faktoren ins Spiel.
Was den Bandscheibenvorfall betrifft präferieren Ärzte die konservative Behandlung, z. B. mit Physio- und Schmerztherapie. Grund: „Zwei Drittel der Patienten haben nach sechs Monaten keine ausstrahlenden Schmerzen mehr“, erklärte Richard Bauer. Anders sieht es aus, wenn sich ein Taubheitsgefühl in den Extremitäten breitmacht, es zu Störungen der Blasen- und Darmfunktion kommt oder motorische Defizite auftreten. Bauer: „Dann handelt es sich um einen Notfall, den wir auch in der Nacht operieren würden.“
Der Eingriff erfolgt mithilfe eines lichtstarken Mikroskops. Ab Jänner können im LKH Feldkirch Bandscheibenvorfälle zudem endoskopisch behandelt werden.
Schmerzvoller Effekt
Ein weiteres Übel ist der sogenannte Facettengelenksschmerz. Die Facettengelenke sorgen für Stabilität der Wirbelsäule. Das Grundproblem auch hier sind Abnützungserscheinungen der Bandscheiben. Dadurch werden die kleinen Facettengelenke zusätzlich belastet, es kommt zu einer Arthrose und damit zu Schmerzen. Linderung verschafft das medikamentöse Blockieren oder Verkochen des Gelenksnervs.
Wirbelkanalverengungen sind ein Leiden vorwiegend älterer Menschen. Zacken, die sich an der Wirbelsäule bilden, können Nerven einklemmen, ebenso dicker werdende Bänder und Gelenkskapseln oder Wirbel, die verrutschen. Operationen sind zwar erfolgreich, destabilisieren die Wirbelsäule allerdings. Deshalb werde auch in solchen Fällen nicht sofort operiert, sagte Primar Bauer.
Fragen aus dem Publikum
Schaden Laufen oder Joggen der Wirbelsäule?
Kavakebi: Diese Sportarten sind nicht unbedingt für den Rücken zu empfehlen. Besser eignen sich Radfahren oder Schwimmen.
Lassen sich Wirbelverschiebungen durch Physiotherapie wieder einrenken?
Kavakebi: Nein, aber das ist auch nicht notwendig. Es muss nur ein weiteres Fortschreiten dieses Zustandes verhindert werden.
Wie groß ist bei einer Verengung im Wirbelkanal das Risiko von Nervenverletzungen?
Kavakebi: Bei einem Bandscheibenvorfall ist dieses Risiko extrem vernachlässigbar.
Wie lange kann ich bei einem Bandscheibenvorfall mit einer Operation warten?
Bauer: Wenn sich die Schmerzen nach zwei Monaten nicht bessern, empfehlen wir den Patienten neuerliche Kontrollen. Der Nerv hält nicht auf ewig eine solche Belastung aus.
Lässt sich vorbeugend etwas gegen Rückenschmerzen tun?
Bauer: Mit einer sportlichen Lebensweise, Nikotinabstinenz und Gewichtsreduktion lässt sich vielen Problemen vorbeugen. Man kann sich denken, dass 120 Kilo nicht eben gesund für die Wirbelsäule sind.
Welche physiotherapeutischen Maßnahmen helfen bei Rückenschmerzen? Und was nützt ein Kinesio-Taping?
Kavakebi: Alles, was nicht schmerzt, kann man unterstützen. Denn es schadet ja nicht. Ob es nützt, ist eine andere Frage. Auch Kinesio-Tapes sind eine Möglichkeit.
Bauer: Mit Qualitätsstudien bewiesen wurde, dass Akupunktur bei Kreuzschmerzen hilft.