Harmlose Arzneimittel gibt es nicht

Bei Problemen oder Nebenwirkungen unbedingt mit Arzt oder Apotheker sprechen.
Feldkirch. (VN-mm) Es war ein ausführlicher Exkurs durch die Welt der Medikamente, den Dr. Jochen Schuler den Mini-Med-Besuchern angedeihen ließ. Die Kernbotschaft fasste der Internist und Kardiologe dann aber in einem Satz zusammen: „Lesen Sie den Beipackzettel und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Medikamente keinesfalls auf eigene Faust absetzen oder die Dosis verändern. Harmlose Arzneimittel gibt es nämlich nicht. „Wenn dem so wäre, hätten sie auch keine Hauptwirkung“, stellte ein Pharmazeut schon vor vielen Jahren folgerichtig fest.
Gut und wichtig für alle
In Österreich gibt es derzeit rund 10.000 zugelassene Arzneimittel. Jochen Schuler, Arzt im Gesundheitszentrum Aigen in Salzburg, betonte den Wert von Medikamenten. „Sie sind mit ein Grund für die inzwischen hohe Lebenserwartung“, sagte er und verdeutlichte dies mit Zahlen. 1980 kamen auf 100.000 Einwohner 500 Schlaganfälle und Herzinfarkte, 2009 waren es „nur“ noch 200. Ähnlich die Situation bei Krebserkrankungen. 1980 starben 220 von 100.000 Einwohnern an Krebs, bis 2009 sank diese Rate auf 150. Im Durchschnitt beträgt der Zugewinn an Lebensjahren durch bessere Lebensbedingungen, rückläufige Kindersterblichkeit, verstärkte Unfallprävention und den medizinischen Fortschritt 5,75 Jahre. „Die meisten werden durch die erfolgreiche Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gewonnen“, so Schuler. Verbesserte Therapiemöglichkeiten bei chronischen und früher unheilbaren Leiden wie Aids und Asthma spielen ebenfalls eine Rolle. Aber auch Medikamente. „Sie sind gut und extrem wichtig für alle“, betonte Jochen Schuler. Dringlicher Nachsatz: „Wenn sie richtig eingesetzt werden.“
Medikamentensammlung
Rund 160 Millionen Packungen werden österreichweit pro Jahr abgegeben. Hauptabnehmer sind Personen jenseits der 80, wobei der Bedarf schon ab dem 50. Lebensjahr zunimmt. Gerade bei älteren Menschen würden sich über die Jahre viele Medikamente ansammeln, ohne dass der Nutzen überprüft werde, merkte der Internist kritisch an. Dabei gibt es eine Vielzahl von Risiken, zu denen vor allem Wechselwirkungen zählen. Auch der falsche Einnahmezeitpunkt kann die Wirksamkeit herabsetzen bzw. aufheben. „Eine sachgemäße Anwendung ist deshalb unerlässlich“, erklärte Schuler. Deshalb sollte, wenn es zu Problemen kommt, zuerst die Anwendung hinterfragt werden.
Die Zulassung von Arzneimitteln ist im Arzneimittelgesetz geregelt. In Österreich überprüft die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) vom Hersteller vorgelegte klinische Studien und andere Daten, die Wirkung und Nebenwirkungen enthalten müssen.
Neue Kennzeichnung
Eine Neuzulassung ist auf fünf Jahre beschränkt, erst danach gibt es eine Dauerzulassung. Seit Kurzem sind neue Medikamente durch ein schwarzes Dreieck gekennzeichnet. Gemeldete Nebenwirkungen werden übrigens in einem zentralen Register erfasst. Häufen sich bestimmte Vorkommnisse, kann es durchaus sein, dass ein Arzneimittel vorzeitig vom Markt genommen wird.
Nicht alles ist wichtig
Es wird auch nicht jedes Medikament als notwendig eingeschätzt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa führt gerade einmal 300 Medikamente auf ihrer Prioritätenliste. Die Sozialversicherungen in Österreich sehen bei weniger als der Hälfte der zur Verfügung stehenden Präparate einen positiven Kosten-Nutzen-Effekt. Nur diese scheinen auch im Erstattungskodex auf. Die anderen muss der Patient selbst bezahlen. Laut Schuler ist es insgesamt schwierig, den Nutzen zu bewerten. Individuelle und kollektive Erfahrungen sind eine Möglichkeit, die bessere kontrollierte Studien. Aber selbst da seien Manipulationen nicht gänzlich auszuschließen. Deshalb gibt es spezielle Zentren, in denen auf Basis der evidenzbasierten Medizin herausgefiltert wird, was wirklich Sinn macht. Schuler: „Arzneimittel wirken nicht bei jedem gleich. Es kommt auf das Grundrisiko an.“ Dieses lässt sich mitunter auch durch Lebensstiländerungen reduzieren.
Verteilungsgerechtigkeit
Was die Verwendung von Generika als Nachbaupräparaten betrifft, sprach sich der Mediziner „klar dafür“ aus, weil dies etwas mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun habe. Als Beispiel nannte er die Aids-Therapie, von der jetzt viel mehr und vor allem auch arme Menschen profitieren, seit es deutlich billigere Medikamentenkopien gibt. Das Dilemma aus seiner Sicht: „Oft weiß man nicht, wo der Wirkstoff produziert wurde, und Generika enthalten zum Teil Beistoffe, die die Verträglichkeit beeinflussen.“ Deshalb würde häufig die Akzeptanz bei den Patienten fehlen. In Österreich liegt der Anteil der Generika bei 22 Prozent, in Deutschland bei 30 und in Polen schon bei 50 Prozent. Laut Schuler führen inzwischen alle großen Pharmakonzerne eine Generika-Sparte.
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