Gut für Leib und Seele

Gesund / 11.10.2013 • 10:54 Uhr
Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner und Dr. Eugen Burtscher brachten den Mini-Med-Besuchern die Komplementärmedizin näher. Foto: stiplovsek
Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner und Dr. Eugen Burtscher brachten den Mini-Med-Besuchern die Komplementärmedizin näher. Foto: stiplovsek

Homöopathie zum Mini-Med-Herbstauftakt erwies sich als Publikumsmagnet.

Wolfurt. (VN-mm) Sie hat eine Vision. „Wir fordern, dass wir nicht nur als gute Gesprächsärzte mit Placebo-Effekt angesehen, sondern ernstgenommen werden und den entsprechenden Platz in der Medizin eingeräumt bekommen.“ Klar und präzise formulierte Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner ihr Anliegen, was den Einsatz der Homöopathie betrifft. Denn die Methode ist zwar etabliert, als offizieller Teil der Medizin aber noch nicht anerkannt. Die Menschen stört dies wohl wenig. Die Hinwendung zur Homöopathie ist groß. Das zeigte sich auch beim Herbstauftakt des Mini Med Studiums im Cubus in Wolfurt, der sich bis auf den letzten Platz füllte.

Über 40.000 Besucher bisher

Das nach wie vor große Interesse an dieser Vortragsreihe – sie geht immerhin schon in das neunte Jahr – freute auch Studienleiter Primar Dr. Andreas Reissigl und Gesundheitslandesrat Dr. Christian Bernhard. Dessen Besuch bezeichnete Reissigl als „tolles Signal des Landes“, zumal seit Anbeginn Unterstützung geleistet wird. Über 40.000 Besucher kamen zu den Vorträgen. „Das ehrt uns besonders“, so Reissigl. Man sei stets bemüht, Themen von aktuellem Interesse anzubieten oder ähnliche durch neueste wissenschaftliche Daten aufzufrischen. „Vieles, was im Rahmen des Mini Med Studiums behandelt wurde, ist heute diagnostischer und therapeutischer Alltag“, konnte der Studienleiter berichten.

Ihn verwundere der enorme Besuch nicht, meinte Christian Bernhard. Habe doch jüngst eine Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts den Vorarlbergern einmal mehr das größte Interesse an Gesundheitsthemen attestiert. Die Menschen in ihrer Gesundheitskompetenz zu stärken sei auch ein Ziel des Landes. „Es ist wichtig, dass die Leute über die Vorgänge im Körper Bescheid wissen, um aus Informationen etwas ableiten und danach handeln zu können“, betonte Bernhard. Das Land unterstütze das Mini Med Studium gerne, weil es genau in dieses Konzept passe.

Integrative Medizin

Dann kamen die Referenten zu Wort. Der Dornbirner Allgemeinmediziner Dr. Eugen Burtscher ist auch Referent für Komplementärmedizin in der Ärztekammer. Als Alternativmedizin will er die verschiedenen Methoden nicht bezeichnet haben. Lieber ist ihm der Begriff Komplementärmedizin, weil er das Ergänzende in sich trägt. Inzwischen werde immer öfter auch der Begriff „integrative Medizin“ verwendet. Sie findet ihre Anwendung vor allem bei funktionalen Erkrankungen, also bei Leiden, die organisch wenig bis gar keine Befunde bringen und trotzdem Beschwerden machen. „Dazu gehören etwa Migräne, Schmerzen am Bewegungsapparat, Allergien, Darmbeschwerden und hormonelle Störungen“, listete Burtscher auf. Immerhin zwei Drittel der Patienten in Allgemeinpraxen haben solche funktionellen Probleme.

Zusatzausbildung

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen geholfen werden kann: Akupunktur, Homöopathie, Neuraltherapie, Manuelle Medizin oder die Antrosophische Medizin, um nur einige zu nennen. Für diese Therapien hat die Ärztekammer ein Weiterbildungsdiplom geschaffen. Neu ist jenes für die Begleitende Krebsbehandlung. „Ein Großteil der Krebspatienten wünscht eine solche, weil sie nachweislich die Lebensqualität verbessert“, sagte Burtscher. Etwa ein Viertel der Ärzte im Land verfügt über eine Zusatzausbildung in Komplementärmedizin. Allerdings spielt sich das Ganze hauptsächlich auf der Wahlarztebene ab, weil viele Kassenärzte laut Eugen Burtscher nur wenig Zeit dafür haben.

Gesamtbild zählt

Zeit für ihre Patienten nehmen sich die homöopathisch tätigen Mediziner. „Ein Gespräch kann bis zu einer Stunde dauern“, erklärte Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner. Denn es bildet die Basis für das weitere Vorgehen. Gnaiger-Rathmanner gilt als Urgestein der Homöopathie in Vorarlberg. Schon seit 30 Jahren befasst sich die Allgemeinmedizinerin aus Feldkirch mit der Thematik. Inzwischen haben 30 niedergelassene Ärzte das Weiterbildungsdiplom, österreichweit sind es 500. Noch keine Homöopathen gibt es zum Bedauern von Gnaiger-Rathmanner in den Krankenhäusern.

Sie schätzt an der Homöopathie, dass „wir keine Trennung von Körper und Geist vornehmen müssen“. Die Methode orientiert sich stattdessen am Gesamtbild des Patienten, an dem, was er fühlt, wie er seine Beschwerden empfindet und damit lebt. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird die passende Arznei ausgewählt. „Eine Medizin für Leib und Seele“, wie es die Ärztin formulierte. Es bedeute auch für den Arzt eine gewisse Entspannung, wenn er nicht alles auseinanderdividieren müsse.

Wirkweise noch unerforscht

Wie Homöopathie wirkt, ist bis heute nicht genau erforscht. Die hohe Potenzierung von Arzneimitteln ermöglicht es jedoch, auch giftige Substanzen einzusetzen. „Damit taugt die Homöopathie sogar für schwerere Krankheiten“, erklärte die Ärztin dem interessiert lauschenden Publikum. Aber alles zielt auf eines ab, nämlich die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren und zu stärken. „Homöopathie“, merkte Jutta Gnaiger-Rathmanner selbstbewusst an, „ist deshalb zu gut, um nur für den Hausgebrauch verwendet zu werden.“ Um das ganze Potenzial ausschöpfen zu können, gehöre sie in die Hände der Medizin.

Dort lässt sich Homöopathie weiterentwickeln. So gibt es als Neuerung eine erweiterte Anamnese, die vermehrt biografische Aspekte berücksichtigt. Oft würden sich Beschwerden bei näherer Betrachtung nämlich mit schwierigen Lebenssituationen verknüpfen lassen.

Bereit für den Dialog

Ebenso kommen immer wieder neue Arzneimittel zum Einsatz, beispielsweise Tiergifte, Edelsteine und radioaktive Substanzen. Es gibt aber auch Grenzen in der Behandlung. Sie werden dort gezogen, wo der Arzt mit seinem homöopathischen Latein am Ende ist, wo mechanische Hindernisse wie Narben oder Steine den Weg versperren, wo Organe fehlen oder Krankheiten wie Diabetes bestehen.

Da ist nichts mehr zu regulieren, da müssen die fehlenden Stoffe ersetzt werden. Einiges gäbe es hingegen noch in der Zusammenarbeit mit der Schulmedizin zu tun. Da würde sich die engagierte Komplementärmedizinerin eine Intensivierung wünschen. „Wir sind bereit für den Dialog“, bekräftigte sie.