Weniger Krebstote bei mehr Erkrankungen

Onkologen betonen Fortschritte in Diagnose und Therapie bösartiger Erkrankungen.
Wien. Jeder zweite Mensch erkrankt einmal im Leben an Krebs. Gerade in den letzten Jahren hat die Forschung entscheidende Fortschritte gebracht. Trotz einer steigenden Zahl der Krebsdiagnosen sinken die Todesraten, betonten Fachleute bei der Pressekonferenz der Initiative „Leben mit Krebs“ und der Österreichischen Krebshilfe.
Günther Steger, Brustkrebsspezialist an der Uniklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien im AKH, führte mehrere Beispiele dafür an. So hat bei sogenannten HER2-positiven Mammakarzinomen der Einsatz des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab bzw. neuerdings auch einer Wirkstoff-Kombination des Biotech-Medikaments mit einem Chemotherapeutikum die durchschnittliche Überlebensdauer von Frauen mit der Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium von ehemals zwölf bis 18 Monaten auf vier bis fünf Jahre erhöht. Bei 70 bis 80 Prozent der Frauen gelinge es, solche Tumoren vor der Operation gänzlich zu beseitigen.
Ähnlich sei die Entwicklung bei den häufigsten Mammakarzinomen, dem hormonabhängigen Brustkrebs. Hier könne im fortgeschrittenen Stadium die Kombination der antihormonellen Medikamente mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor die Notwendigkeit der Verabreichung einer nebenwirkungsreichen Chemotherapie deutlich hinausschieben. Die Klassifizierung der Brustkrebserkrankung in immer mehr Untereinheiten nach molekularbiologischen Kriterien ermöglicht eine zielgerichtete und hoch wirksame Therapie.
Der Lungenkrebsspezialist Wolfgang Hilbe (Wiener Wilhelminenspital) erklärte, dass auch beim Lungenkarzinom ein solcher Trend – allerdings mit Zeitverzögerung im Vergleich zum Mammakarzinom – in Gang gekommen sei. „Im Stadium IV einer Lungenkarzinomerkrankung lag das mittlere Überleben früher bei neun Monaten. Nach einem Jahr lebten nur 30 Prozent.“ Bei Vorliegen einer bestimmten Mutation im Erbgut der Tumorzellen (ALK-Mutation) erreiche man jetzt mit einem neuen Medikament Ansprechraten von 70 Prozent. Der Spezialist: „Nach einem Jahr leben noch 70 Prozent der Patienten, die mittlere Lebenserwartung stieg von neun auf 24 Monate.“
Erfolgsrate bei Hautkrebs höher
Ganz ähnlich sieht es bei den verschiedenen Hautkrebsformen aus, so Hubert Pehamberger, Spezialist an der Wiener Universitäts-Hautklinik. 2010 wurde mit dem monoklonalen Antikörper Ipilimumab und mit dem Kinase-Enzymhemmer Vemurafenib erstmals der Nachweis erbracht, dass eine medikamentöse Therapie bei Vorliegen bestimmter Mutationsmerkmale der Tumorzellen die Zeit bis zum Fortschreiten eines malignen Melanoms und die Überlebenszeit der Patienten deutlich erhöhen könne. Mittlerweile hätte die Kombination verschiedener zielgerichteter Medikamente die Erfolgsraten noch einmal gesteigert.
Der Präsident der Österreichischen Krebshilfe, Paul Sevelda, betonte aus Anlass des bevorstehenden Welt-Krebstages die Bedeutung der Verbesserung der Rahmenbedingungen. „Wir machen 2015 die Teilzeit-Rückführung von Krebspatienten in den Arbeitsprozess zu einem Ziel.“ Zwei Drittel der Patienten könnten derzeit nicht sofort nach Therapie und Rehabilitation in das Arbeitsleben zurückkehren. „Da tut sich teilweise zu wenig.“ Weiters müsste endlich in Österreich eine flächendeckende palliativmedizinische Versorgung für Patienten im Endstadium der Erkrankung organisiert werden.
Und schließlich gehe es um die vollinhaltliche Durchsetzung der Regelungen zum Verbot des Rauchens in der Gastronomie und des Erschwerens des Zuganges von Jugendlichen zu Zigaretten.