Spielsüchtige suchen sich kaum Hilfe

Gesund / 04.03.2016 • 10:09 Uhr
Pathologische Glückspieler suchen offenbar nur selten nach professioneller Hilfe für ihr Problem.  Foto: Schwald
Pathologische Glückspieler suchen offenbar nur selten nach professioneller Hilfe für ihr Problem. Foto: Schwald

Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen nutzen die Suchthilfeangebote.

Wien, Grundlsee. Spielsucht ist nicht auf der ganzen Welt gleich verteilt. In der Erwachsenenbevölkerung variiert der Anteil von Menschen mit pathologischem Spielverhalten je nach Land zwischen 0,2 und zwei Prozent. In Deutschland sind rund 0,6 Prozent der Erwachsenen davon betroffen. Für Österreich existieren zwar keine wissenschaftsbasierten Zahlen, doch dürfte ein ähnlich großer Bevölkerungsanteil wie in Deutschland unter Spielsucht leiden. Ein Phänomen zeigt sich aber überall: Pathologische Glückspieler suchen nur selten nach professioneller Hilfe für ihr Problem. „Mehr Wissen darum, was die einen in die Beratung führt und die anderen davon abhält, ist ein wesentlicher Schlüssel, um Hilfsangebote zu verbessern“, betont Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer (AKH/MedUni Wien). „Das ist schon deshalb besonders wichtig, weil internationalen Studien zufolge nur etwa zehn Prozent der Betroffenen Hilfe suchen.“ Auch die deutsche PAGE-Studie bestätigt: 80 Prozent der Spielsüchtigen ignorieren Hilfsangebote. Nur magere elf Prozent nutzen Hilfsangebote intensiv und treten mehr als dreimal in Kontakt mit Suchthilfeeinrichtungen.

Prof. Dr. Ludwig Kraus, tätig am IFT Institut für Therapieforschung in München und Gastprofessor am Centre for Social Research on Alcohol and Drugs (SoRAD) an der Universität Stockholm, hat zahlreiche Studien ausgewertet, um die Charakteristik von pathologischen Glückspielern herauszuarbeiten. „Bei Problemspielern mit besonders stark ausgeprägter Störung ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich in Behandlung zu begeben“, erläutert Kraus. Weitere zentrale Faktoren, die eine Inanspruchnahme von Hilfsangeboten begünstigen, sind die Intensität des Spielverhaltens und ein unterstützendes soziales Umfeld, also Partner, Freunde oder Familie, die den Betroffenen das Problem vor Augen führen und ihnen zu professionellen Unterstützung raten. Eine Studie mit 446 Klienten in 36 Beratungsstellen in Bayern förderte außerdem folgende Charakteristika zutage: Der typische Hilfesuchende ist mit großer Mehrheit (88,8 Prozent) männlich und rund 36 Jahre alt, hat also das typische Einstiegsalter schon ein paar Jahre hinter sich. „Interessanterweise lassen sich am häufigsten Spieler behandeln, die an Geldspielautomaten ihr vermeintliches Glück suchen“, sagt der Professor. Die Studie zeigte auch, dass jeder Zweite eine hohe psychische Belastung aufweist und mit depressiven Symptomen zu kämpfen hat. Bei mehr als der Hälfte kam es zu weniger als sechs Behandlungskontakten und sieben von zehn Klienten beenden die Therapie vorzeitig. „Diese dramatischen Abbruchszahlen verdeutlichen, dass sich unsere Hilfskonzepte noch weiterentwickeln und stärker an das Individuum angepasst müssen werden“, folgert Kraus. „Eher nicht zur Beratung kommen jüngere Spieler und Personen, die ihre Probleme verleugnen oder mangelnde Einsicht zeigen. Vielen schämen sich auch, und empfinden sowohl ihre Abhängigkeit als auch das Eingeständnis, Hilfe zu brauchen, als Stigma.“ Auch Spieler, die Glücksspielen im Internet nachgehen, sind kaum in den Beratungseinrichtungen zu finden.

Prävention und Therapien

Wissenschaftlich belegt ist, dass vor allem verhaltenstherapeutische Ansätze helfen, die Spielsucht zu überwinden. Wichtig sind nach der Einschätzung der Experten aber auch Maßnahmen, die, ähnlich wie bei Tabak oder Alkohol, das Entstehen der Sucht verhindern oder zumindest erschweren: Dazu zählen eine strikte Zugangsbeschränkung zu Glückspielen für Jugendliche, eine Reduktion des Angebots, eingeschränkte Spielhallen-Öffnungszeiten oder das Verbot von hochriskanten Spielen.