Marlies Mohr

Kommentar

Marlies Mohr

Das Nest wird leer

Gesund / 05.08.2016 • 10:19 Uhr

Da stehen sie, groß und erhaben und wieder allein. Das Nest ist leer, die Brut flügge geworden. Die Alten bleiben zurück. Bis sich das nächste Jungvolk anmeldet. Was mit Sicherheit geschehen wird. Es bereitet mir stets aufs Neue ein richtiges Vergnügen, das Storchenpaar, das sich schon seit Längerem in einem Nest neben dem Radweg heimisch eingerichtet hat, zu beobachten. Dieses Kommen und Gehen. Dieses Werden und Vergehen.

Ein bisschen erinnert es an die eigene Brutpflege. Nur, dass die etwas länger dauert als jene der Störche. Macht nichts. Wir kümmern uns ja gerne um den Nachwuchs und erfreuen uns an allem, was er kann und vielleicht noch können wird. Je nach Alter, versteht sich. Gleichzeitig ist jeder Schritt, den Kinder tun, einer mehr hinaus ins eigene Leben. Mir ist das bei Übergängen jedes Mal besonders bewusst geworden.

Kleine Sentimentalität, die an die Endlichkeit erinnert, die wir Menschen ja so gerne verdrängen. Doch der Alltag hat einen schnell wieder. Das kennen wir alle. Andere Prioritäten, andere Gedanken. Und plötzlich ist auch das eigene Nest leer. Aber nicht nur für ein paar Tage oder Wochen, sondern für immer länger. Irgendwann wird das Jungvolk nur noch sporadisch an die Türe klopfen. Ein Gedanke, der vermutlich für viele Eltern gewöhnungsbedürftig ist.

Doch worauf haben wir diese vielen Jahre hingearbeitet, wenn nicht auf diesen Augenblick? Eben. Auch wenn er immer zu früh kommt. Da haben es die Störche eindeutig besser . . .

marlies.mohr@vorarlbergernachrichten.at