“Schulimpfungen sollten unbedingt nachgeholt werden”

Wegen Corona sind laut Kinderarzt Immunisierungen ausgefallen.
Wien Durch das kostenlose Kinderimpfkonzept können in Österreich Kinder Impfstoffe gegen 13 Erregergruppen gratis erhalten. Ein Teil diese Impfungen wird normalerweise im Rahmen der Schulimpfprogramme durchgeführt. Wegen der SARS-CoV-2-Pandemie ausgefallene Immunisierungen sollten unbedingt nachgeholt werden, fordert Kinderarzt Peter Voitl vom Wiener Kindergesundheitszentrum Donaustadt. Dazu zählten unter anderem Impfungen gegen Diphtherie Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung (Kombinationsimpfung), Meningokokken A, C, W135, Y und gegen HPV.
Auffrischen
Gegen Diphtherie, Tetanus (Wundstarrkrampf), Pertussis (Keuchhusten) und Polio (Kinderlähmung) werden in Österreich schon Babys im Rahmen der Sechsfachimpfung (in Kombination mit Haemophilus influenzae B und Hepatitis B) geimpft. In der zweiten oder dritten Klasse Volksschule muss die Immunisierung dann aufgefrischt werden, später dann alle zehn Jahre. Peter Voitl betont: „Die Auffrischungsimpfung ist schnell erledigt und gut verträglich. Angesichts der in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Keuchhustenfälle sollte sie nicht vernachlässigt werden. Diphtherie tritt in Österreich sehr selten auf, jedoch gab es in den letzten Jahren wieder vereinzelte Fälle. Ähnlich verhält es sich mit Tetanus. Die wenigen Tetanus-Fälle sind der hohen Durchimpfungsrate zu verdanken, denn der Erreger ist nach wie vor praktisch überall in der Natur präsent. Damit die Fallzahlen so niedrig bleiben, kann ich als Kinderarzt den Eltern nur raten, den Impfpass ihrer Kinder checken zu lassen, um diese und andere wichtige Impfungen aufgrund der ausgefallenen Schulimpfungen nicht zu vergessen.“
Nicht vergessen sollte man laut Voitl auch die Impfung gegen HPV (Human Papilloma Virus). Sie wird in Österreich üblicherweise in der vierten Klasse Volksschule bei Mädchen und bei Buben durchgeführt. Durch diese frühe Impfung werden höhere Antikörperspiegel erreicht als bei der Impfung in einem späteren Lebensabschnitt. Daher reichen bis zum 15. Lebensjahr zwei Teilimpfungen aus, danach werden drei benötigt. Meistens kommt man durch die frühe Impfung auch bereits einer ersten Infektion zuvor. Der Kinderarzt ergänzt: „SARS-CoV-2 ist nicht das einzige Virus, das schwerwiegende Folgen haben kann. Bei einer chronischen HPV-Infektion kommt es dann manchmal erst viele Jahre später etwa in Form von Gebärmutterhalskrebs, Vaginalkarzinomen oder Analkarzinomen zur Erkrankung. Auch Genitalwarzen können durch eine HPV-Infektion hervorgerufen werden. Sie können zu einem sehr hohen Prozentsatz durch eine rechtzeitige HPV-Impfung verhindert werden. Die Impfung sollte auch während der Covid-19-Pandemie unbedingt durchgeführt werden.“
20 bis 100 Erkrankungsfälle
Die Impfung gegen vier wichtige Meningokokken-Stämme (A, C, W135 und Y) ist zwischen dem zehnten und dem 13. Lebensjahr vorgesehen. Jährlich werden demnach in Österreich etwa 20 bis 100 Erkrankungsfälle (etwa 50 bis 74 Prozent durch Meningokokken der Gruppe B und zehn bis 30 Prozent durch Meningokokken der Gruppe C) registriert. Zwischen 2008 und 2018 gab es 71 Todesfälle durch Meningokokken. Meningokokken-Infektionen treten vor allem bei Kindern im ersten Lebensjahr und bei Jugendlichen auf. Zwischen 2003 und 2017 sind bei sieben Prozent der Überlebenden von invasiven Meningokokken-Erkrankungen neurologische Störungen beziehungsweise Entwicklungsstörungen und bei vier Prozent Hörverlust aufgetreten. In seltenen Fällen ist es zu Autoamputationen, großflächigen Narbenbildungen und chronischen Schmerzen gekommen. „Auch wenn diese Fälle selten sind, sollte man kein Risiko eingehen und ausgefallene Schulimpfungen unter Einhaltung der Coronaschutzmaßnahmen nachholen. Nur weil das Coronavirus aktuell die Nachrichten dominiert, sind die Meningokokken ja nicht weg“, fordert Peter Voitl.
„Die wenigen Tetanus-Fälle sind der hohen Durchimpfungsrate zu verdanken.“