300 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr: “Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache.”

Gesund / 31.05.2024 • 07:30 Uhr
300 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr: "Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache."
Prim. Dr. Michael Rohde und Dr. Kerstin Jänsch arbeiten am LKH Bregenz. vn

Prim. Dr. Michael Rohde und Dr. Kerstin Jänsch im Gespräch.

Bregenz Die Debatte rund um Schwangerschaftsabbrüche hat im vergangenen Jahr in Vorarlberg für viele Diskussionen gesorgt. Das Landeskrankenhaus Bregenz ist nun der einzige Ort im Land, an dem Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden können. Prim. Dr. Michael Rohde und Dr. Kerstin Jänsch, beide Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am LKH Bregenz, reden im Podcast “Wir müssen reden” der Vorarlberger Nachrichten offen über die Thematik.

300 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr: "Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache."
Im Gespräch mit den VN haben die Ärzte offen über das Thema gesprochen. vn

Ist ein Ort in Vorarlberg, an dem Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, zu wenig?

Rohde Wir haben hier im LKH Bregenz eine Sprechstunde eingerichtet, die eine Vorgänger Ordination abgelöst hat. Auf den ersten Blick scheint das wenig zu sein, aber auf Basis der bisherigen Zahlen rechnen wir seit der Eröffnung mit jährlich 300 Abbrüchen in Vorarlberg. Dabei muss man auch beachten, dass Grenzverkehr stattfindet. Das ist niedriger, als wir von den internationalen Zahlen erwartet hätten – wir haben mit 500 gerechnet. Dies umfasst Frauen im Alter von 15 bis 50 Jahren.

Bis zur wievielter Schwangerschaftswoche kann man einen Abbruch vornehmen?

Rohde Wir haben in der Fristenregelung die gesetzliche Formulierung “bis drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft”. So steht es drin, jetzt kann man beginnen zu interpretieren. Monate in Tage kann man noch berechnen, doch die Frage wann die Schwangerschaft beginnt, ist nicht explizit vom Gesetzgeber formuliert. Nach mehreren OGH-Urteilen können wir den Schwangerschaftsbeginn mit der Einnistung interpretieren. Wenn wir das mit den Kalenderwochen nachrechnen, kommen wir auf 16 Wochen in Österreich. Die allermeisten Fälle bewegen sich aber zwischen neun bis zwölf Wochen.

300 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr: "Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache."
Bis zu 300 Eingriffe gibt es im Jahr in Vorarlberg. vn

Welche Formen des Abbruchs gibt es?

Rohde Medikamentös und instrumentell. Für die Medikamentöse gibt es ein Zeitfenster, gemäß der Zulassung können wir das Medikament bis 63 Tage nach dem ersten Tag der letzten Regelblutung verabreichen. Die Frauen müssen nicht medikamentös in dieser Phase abbrechen, können es aber. Operativ wird in einer kurzen Narkose der Muttermund leicht gedehnt, nach medikamentöser Vorbereitung. Dann wird mit einem Plastikröhrchen die Schwangerschaft abgesaugt. Das wird mit Ultraschall kontrolliert. Der Aufenthalt dauert nur ein paar Stunden und man bekommt einen Nachkontrolltermin.

Wie hoch sind die Kosten?

Jänsch Die Kosten betragen 720 Euro, das ist kostendeckend für das Krankenhaus. Es ist egal, welche Form des Abbruchs man vornimmt. Die Kosten müssen erst einmal von der Patientin getragen werden, bevor wir etwas unternehmen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Gibt es auch medizinische Abbrüche?

JÄNSCH Medizinische Abbrüche finden in allen Krankenhäusern statt. Es gibt viele Gründe, warum die Austragung nicht empfohlen wird.

Haben Sie besondere Regelungen dafür?

ROhde Wenn die Gesundheit der Mutter gefährdet ist, eine schwerwiegende Behinderung zu erwarten ist oder die Betroffene unter 14 Jahre alt ist. Das läuft unter medizinische Abbrüche und sie müssen den Eingriff nicht zahlen. In unserer Praxis sind es zwei unterschiedliche Wege. Zahlenmäßig haben wir deutlich mehr Abbrüche im Rahmen der Fristenregelung.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Spotify angezeigt.

Mit was für einem Gemüt kommen die Frauen zu euch?

JÄNSCH Ich warne davor zu sagen, dass die Frauen diese Entscheidung nicht sehr selbstbestimmt und gut überlegt treffen. Wir reden über Frauen, die bewusst diesen Weg gehen, weil sie den Weg der Schwangerschaft als schwieriger empfinden. Sie haben häufig sehr gute Gründe. Das, was ich empfinde, ist, dass meistens das Hauptproblem nicht der Weg zur Entscheidung ist, sondern dass Frauen zum Teil überrascht reagieren, wenn sie nicht verurteilt werden. Das ist schade. Es trifft niemand aus einer Laune heraus die Entscheidung. Das, was von außen auf die Frauen aufgetragen wird, das löst Druck und Nervosität aus. Wenn wir hier die Demonstranten sehen, bringen sie mehr Leid, als dass sie jemandem helfen.

Wie sehen Sie das als Mediziner, wenn Demonstranten oder andere Menschen behaupten, dass eine Abtreibung Mord ist?

jänsch Tatsächlich glaube ich nicht, dass es einen juristischen Aspekt dafür gibt, dass es ein Mord sein könnte. Und nein, es ist kein Mord. Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache. Schwangerschaftsabbrüche hat es schon immer gegeben. Jedes Jahr sterben weltweit 22.000 Frauen an den Folgen von schlecht durchgeführten Abbrüchen. Und das sind vermeidbare Todesfälle. Ich bin Ärztin, ich habe geschworen, alles zu tun, damit Frauen ihre Leiden und Bedürfnisse sicher ausführen können. Und dazu gehören auch Schwangerschaftsabbrüche. Mit Mord hat das nichts zu tun, sondern mit Frauen, die in Not sind und Hilfe benötigen.

Was braucht es, damit wir offener mit dem Thema umgehen als Gesellschaft?

ROHDE Aufklärung. Aus dem, was ich in den Medien und bei den Demonstranten sehe, sind die transportierten Bilder unsachlich. Die Bilder suggerieren kleine Babys und Begriffe wie Mord. Das ist völlig falsch. Es gibt sehr gute Websites, die das Tatsächliche darstellen. Man muss sachliche Informationen an die Menschen bringen, auch solche Fakten, wie Frau Doktor Jänsch erläutert hat. Man weiß, wenn so etwas in die Illegalität getrieben wird, dann kostet es Leben. Seit Menschen existieren, gibt es dieses Thema. Es ist keiner Gesellschaft gelungen, es zu verbieten.

JÄNSCH Wir sind uns da einig. Ich glaube, wir müssen die Emotionalität herausnehmen, um das Ganze auf eine sachliche Ebene zu stellen.

300 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr: "Ich rette Leben, wenn ich diese Eingriffe mache."
Die Ärzte appelieren, dass offener mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche umgegangen werden soll.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Podigee angezeigt.