Körperkunst-Aktion für Sternenkinder

Rainer Juriatti lief mit einem Kindersportwagen 1200 Kilometer durch Österreich. Jetzt ist das Buch dazu erschienen.
Neuerscheinung „Im Land der Sternenkinder. Die Geschichte eines Ultramarathons“, nennt Rainer Juriatti sein jüngstes Werk, das druckfrisch im Buchhandel erhältlich ist. Hinter den 148 Seiten steckt eine Aktion, die ein gesellschaftliches Tabu sichtbar werden lässt und die nötige Aufmerksamkeit verschaffen soll. Der 59-Jährige lief dafür 1200 Kilometer mit rund 10.000 Höhenmetern quer durch Österreich. „Hundert Meter für jedes Kind, das vor, während oder kurz nach der Geburt verstirbt“, erklärt er den Hintergrund. Durchaus eine Grenzerfahrung für den Autor und Schauspieler, der als Symbol einen leeren Kindersportwagen hinter sich herzog. Das Gewicht: 46 Kilo. Eine Last, die knapp zwei Drittel seines Körpergewichtes ausmacht.
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Rainer Juriatti und seine Frau Vera sind selbst Sternenkinder-Eltern. Fünf der sieben Kinder sterben während der Schwangerschaft oder Geburt. Zwei kommen gesund zur Welt. Der Tod wurde ein Teil ihres Lebens und bestimmt auch das künstlerische Schaffen. „Der Lauf ist ein Kunstprojekt“, erklärt der in Graz lebende Vorarlberger, „ein kreativer Zugang, die Sternenkinder aus der Sumpfecke der Traurigkeit rauszuholen.“ Los ging es am 26. April 2024, am Todestag seines Sohnes Pablo. Es war die erste von insgesamt 40 Etappen, die Juriatti in täglichen Blogbeiträgen beschrieb. Diese „verewigte“ er zum Abschluss in Buchform. So ist auf Seite 11 zu lesen: „Ich weiß, dass ich oft sehr einsam sein werde. Ich weiß auch, dass ich zeitweise große Schmerzen zu ertragen haben werde. Ganz generell ist Schmerz ein prägendes Gefühl, das Sternenkindeltern ein Leben lang mit sich tragen. Und Einsamkeit ist das zweite prägende Gefühl, mit dem Sternenkindeltern durch ihr Leben „laufen“. So bin ich denn müde. Seit mehr als dreißig Jahre bin ich es. Ich bin es müde, immer und immer wieder von Sternenkindern sprechen zu müssen, anderen lästig zu sein und auch unangenehm aufzufallen, damit Sternenkinder eine Stimme bekommen …”

Immer wieder hätten Menschen ihn ein Stück seines Weges begleitet – auch um ihre Geschichten zu erzählen. Oder zu Vorträgen eingeladen. Was das betrifft, war der 2. Juni 2024 für den 59-Jährigen ein besonderes Highlight. Juriatti läuft gerade seine 34. Etappe. Hinter ihm liegen bereits mehr als eintausend Kilometer und er spürt, dass seine Energietanks auf Reserve stehen. Schon am nächsten Abend war er bei Marlene Rieck eingeladen. Es war der Abend ihrer Vernissage. „WAS BLEIBT“ titelte sie die Fotoserie, die gemeinsam mit dem Fotografen Günter Valda entstand. Die Bilder thematisieren den Umgang mit der Trauer nach einer Totgeburt. Ein Künstlergespräch, das die Körperarbeit in den Fokus stellt, umrahmte die Veranstaltung. Juriatti nahm dran teil. Körperkunst auf beiden Seiten. Eine Sprache gegen die Sprachlosigkeit.

Für Sichtbarkeit steht auch der leere Kindersportwagen. Tag für Tag, Etappe für Etappe wird er voller. Mittlerweile war er über und über mit gelben Sternen-Aufklebern beklebt – jeder steht für ein Sternenkind. Eltern haben sie auf diese Weise auf die Reise geschickt. „Unfassbar viele Sternenkinder haben mich begleitet“, erzählt er. „Sie trugen mich durchs ganze Land. Ich traf auf ein freundliches, aufgeschlossenes, wohlwollendes, wertschätzendes und die Sternenkinder in höchstem Maße schätzendes Österreich.“ Auch seine täglichen Blogeinträge, die gerne und viel gelesen wurden. Es waren nie unter 85.000 Klicks. Ein Beitrag auf Instagram, obwohl er noch aus dem Training heraus gepostet wurde, bekam sogar 1,8 Millionen Likes.
Wer Rainer Juriatti live auf der Bühne erleben möchte, hat Freitag, 15. November, 19 Uhr in der Remise in Bludenz die Gelegenheit dazu. „Drei auf den Spuren des Glücks“ ist ein Abend mit Tenor Michael Heim, Sophie Nawara und Monologen von Rainer Juriatti.
Marion Hofer
im Land der Sternenkinder
Rainer Juriatti: „Im Land der Sternenkinder – Geschichte eines Ultramarathons“, Der Kollektiv Verlag, 148 Seiten, 18 Abbildungen, 2 Euro jedes Buches gehen an den Verein „Mein Sternenkind – Hilfe für Sternenkindeltern“, www.mein-sternenkind.net;