Für Pessimismus ist es zu spät

Heimat / 28.11.2023 • 08:44 Uhr
Ihr ganzes Leben widmete Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb der Herausforderung Klimakrise. <span class="copyright">AK VORARLBERG /Mitja KObal</span>
Ihr ganzes Leben widmete Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb der Herausforderung Klimakrise. AK VORARLBERG /Mitja KObal

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb zu Gast in der Reihe „Wissen fürs Leben“ der Arbeiterkammer Vorarlberg.

FELDKIRCH Als das „ARTE Vorarlbergs“ bezeichnete eine Besucherin die Veranstaltungsreihe „Wissen fürs Leben“ anlässlich eines Vortrags der renommierten Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, der unlängst im Saal der Arbeiterkammer Vorarlberg stattfand. Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine, wie das stets wachsende Stammpublikum dieses wirklich ausgezeichneten Veranstaltungsformats zeigt. Obwohl der Vortrag und die anschließende Diskussion sogleich am nächsten Tag gestreamt werden können, ist jede Veranstaltung bis auf den letzten Platz gefüllt.

„Helga Kromp-Kolb hat lange am Institut für Meteorologie gelehrt, das Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur in Wien gegründet und bis 2017 geleitet und engagiert sich seit über fünfzig Jahren für eine lebenswerte und intakte Umwelt – und das wirklich ungebrochen“, stellte Thomas Matt, Kurator und Moderator von „Wissen fürs Leben“ die Wissenschaftlerin vor. „Außerdem hat sie die Allianz für nachhaltige Universitäten in Österreich mitbegründet, aber auch das Climate Change Center Austria geht ganz wesentlich auf ihre Initiative zurück.“ Helga Kromp-Kolb sei längst die zentrale Anlaufstelle für Forschung, Politik, Medien und Öffentlichkeit, wenn es um Fragen des Klimaschutzes gehe.

Alle gefordert

„Ihr ganzes Leben hat sie der wahrscheinlich größten Herausforderung unserer Zeit gewidmet, nämlich alles daranzusetzen, dass der Klimawandel, der sich zu einer Klimakrise verschlimmert hat, nicht im Strudel einer Klimakatastrophe mündet. Aber ist es dafür nicht zu spät?“, so Thomas Matt. Das verneine sie und zwar sehr bestimmt. In ihrem nunmehr zweiten Buch, das sie bei der Veranstaltung präsentierte, macht sie den Menschen klar, dass nun jede und jeder Einzelne gefordert ist. Matt ergänzte: „Denn für Pessimismus ist es zu spät, lautet der Titel. Das klingt ein bisschen eigentümlich, will aber heißen: Wir haben gar keine Zeit mehr dafür, trübsinnig herum zu grübeln. Und vor fatalen Entwicklungen den Kopf in den Sand zu stecken, das führt erst recht ins Verderben.“ Der berufliche Werdegang der 74-jährigen Pionierin des Klimaschutzes ist gleichzeitig auch die Geschichte der verheerenden Naturereignisse und ihrer Bewältigung, der mühseligen Lernprozesse und der zögerlichen Politik – vom Waldsterben über die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima bis zur aktuellen Klimakrise. „Es ist nicht leicht, wissenschaftliche Ergebnisse in ein politisches Handeln zu bringen“, ist eine ihrer Erkenntnisse. Sie bemängelte das Fehlen eines gemeinsamen Zukunftsbildes, es fehle eine gemeinsame Vision.

Helga Kromp-Kolb signierte zahlreiche ihrer Bücher auf der Lesung in der Arbeiterkammer. <span class="copyright">AK Vorarlberg / Jürgen Gorbach</span>
Helga Kromp-Kolb signierte zahlreiche ihrer Bücher auf der Lesung in der Arbeiterkammer. AK Vorarlberg / Jürgen Gorbach

Eine sozial-ökologische Transformation

Ungelöste Probleme schaffen neue, dies führt zu einer Zunahme des Chaos: „Wenn das Chaos steigt, dann neigt nicht nur die Politik, sondern auch der Einzelne zu Kurzfristlösungen, was wiederum zu noch mehr Problemen führt.“ Dieser Teufelskreis habe noch einen weiteren Aspekt: „Durch die chaotische Situation wird es für die Menschen unübersichtlich und dann sind sie bereit, die Freiheit gegen eine vermeintliche Sicherheit zu tauschen.“ Dies bedeute aber auch, dass vermehrt autokratische Regierungen an die Macht kommen, wie dies aus Statistiken ersichtlich sei: „Vor Kurzem publizierte Ergebnisse zeigen, dass sich auch Österreich von einer Demokratie wegbewegt. Wir müssen wirklich gut aufpassen, was bei uns passiert.“ Nachhaltigkeit und Frieden bedingen einander: „Eine gute Zukunft kann nur in Frieden erreicht werden, Kriege bedeuten Zerstörung pur.“ Der Klimawandel müsse als Symptom begriffen werden: „Je mehr Probleme ich versuche, gleichzeitig zu lösen, desto größer wird mein Handlungsspielraum.“ Es gebe auch nicht die eine Lösung für die ganze Welt, die Probleme müssen geografisch differenziert betrachtet werden.

„Klimaschutz kann nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Wir müssen lernen, längerfristig zu denken. Und wir müssen auch erkennen, dass die Natur kein unerschöpfliches Reservoir ist, sondern ein komplexer Organismus, von dem wir ein Teil sind.“ Sie plädierte außerdem für eine sozial-ökologische Transformation: „Das ist in gewisser Weise ein Kulturwandel, den wir brauchen. Wir brauchen die Wirtschaft, die Politik – im Grunde genommen alle. Und das ist gut so, denn dies schafft eine Gemeinschaft, wenn wir zusammen an der Lösung eines Problems arbeiten. Es bringt eine Gesellschaftsform, in der alle ein besseres Leben haben können.“ BI