Entzauberung der Künstlichen Intelligenz

Spannende Performance von Multitalent Peter Reichl im Theater am Saumarkt.
FELDKIRCH „Die Entwicklung der Digitalisierung der Welt hat in der jüngsten Zeit ungeheuer an Fahrt aufgenommen“, stellte Peter Bilger, Obmann des Kulturvereins Theater am Saumarkt, am vergangenen Samstag bei seiner Einführung des renommierten Referenten Peter Reichl klar.

Und er führte weiter durchaus kritisch aus: „Spätestens mit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 muss uns klar geworden sein, dass die Künstliche Intelligenz aus den Werkstätten und Laboratorien von Informatikern und den Fantasien von Science-Fiction-Autoren und -Autorinnen hinaus in die Realität gesprungen und in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Wie eine Flutwelle stürzt der digitale Fortschritt über uns herein, durchdringt zunehmend alle Lebensbereiche und macht auch vor dem Stolz des Homo Sapiens, dem Denken, nicht halt.“

Während von vielen Menschen die Digitalisierung als Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme bis hin zur Klimakrise enthusiastisch gefeiert werde, halten sie andere für eine Ausgeburt der Hölle, die als Superintelligenz außer Kontrolle geraten, die Menschheit in ihrer Fortexistenz bedrohe: „Eine sachliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz wäre dringend notwendig, um die Zukunft nicht allein dem Markt und den Informatikern zu überlassen.“

Seele der Informatik sezieren
Peter Reichl ist ein Multitalent. Er hat Mathematik, Physik und Philosophie in München und Cambridge studiert, seit 2013 ist er ordentlicher Professor für Informatik und Leiter der Forschungsgruppe „Kooperative Systeme“ an der Universität Wien. Sein weites Themenspektrum umfasst das Internet bis hin zum Quantencomputing, wobei bei ihm jedoch immer die gesellschaftlichen Auswirkungen des Digitalen Wandels zentral stehen. Peter Reichl ist zudem Mitunterzeichner des Wiener Manifests für Digitalen Humanismus.

„Und abgesehen davon ist er ein ausgezeichneter Pianist und großer Opernfan, der als Klavierbegleiter bei Opernabenden aller Art auftritt“, erwähnte Peter Bilger die vielseitigen Interessen von Peter Reichl, der an diesem Abend von seiner Gattin, Marena Balinova, einer Opernsängerin, begleitet wurde.

In seinem Vortrag präsentierte er auf ungewohnt humorvolle, aber auch prägnante Weise, sein aktuelles Buch „Homo cyber. Ein Bericht aus Digitalien“. Dabei zeigte er auf, dass die Digitalisierung nicht nur eine technische oder kulturelle Frage darstellt, sondern vor allem auch eine politische.

Als geistige Weggefährten entpuppten sich neben Mathematikern und Erfindern von Rechenmaschinen Literaten und Philosophen wie Immanuel Kant, Günther Anders, Rainer Maria Rilke und Max Frisch. Letzterer diente auch mit seinem Buch „Homo faber“ als Inspirationsquelle – und dies nicht nur für den Titel. „Max Frisch hat in Homo faber versucht, die Seele des Ingenieurs zu sezieren, ich möchte dasselbe mit der Informatik machen“, erläuterte er seine Zugangsweise.

Ein einfaches Zufallsprinzip
„Um Technologien zu verstehen, muss man sie erst einmal entzaubern“, betonte Peter Reichl. Dies verdeutlichte er an einem einfachen Spiel, nämlich Dr. Nim, wozu er Leute aus dem Publikum aufforderte, teilzunehmen. „Die Plastikklappen sind nichts anderes als eine Null oder eine Eins. Dieses banal scheinende Spiel vermittelt uns die Idee, dass wir gegen Dr. Nim spielen. Aber in Wirklichkeit sind es wir, die dem Spiel eine Bedeutung zuordnen. Dies ist auch mit der Künstlichen Intelligenz der Fall. Rechnertechnologien fallen nicht vom Himmel, sie werden von Menschen gemacht. Zwischen Null und Eins liegen unendlich viele Grautöne und Farben, bei denen der Computer in nur auf einem Auge blind ist. Aber auch Chat GPT unterliegt einem einfachen Zufallsprinzip, das es zu entzaubern gilt.“ BI


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