Anklage per Computer? Künstliche Intelligenz (KI) in der Justiz

VN / 15.08.2025 • 14:14 Uhr
Landesgericht
Landesgericht Feldkirch: Wie weit die künstliche Intelligenz in der Justiz noch um sich greifen wird, ist fraglich. Symbol/Hartinger

Landesgericht Feldkirch setzt neues Instrumentarium eher begrenzt ein.

Feldkirch “Künstliche Intelligenz wird immer mehr eingesetzt. Auch in der Justiz. Bereits jetzt kann man ganze Schriftsätze und Gutachten über KI generieren und sich daraus Zusammenfassungen oder sogar Klagen erstellen lassen. Was früher Stunden und Tage dauerte, geschieht nun über KI in kurzer Zeit und bringt eine enorme Zeitersparnis”, sagt der Götzner Rechtsanwalt Edgar Veith. Er kommt gerade von einer Fortbildungsveranstaltung für Anwälte aus Wien zurück.

Datenschutzexperten, Informatiker, Verhaltensforscher, Produktmanager großer Verlage – etliche Experten referierten zwei Tage lang über Vor- und Nachteile von KI. Dass Artificial Intelligence als möglicher “Gamechanger” auch Risiken und Nachteile birgt, ist allen Beteiligten klar. Dass KI andererseits schon aus Kostengründen nicht aufzuhalten ist, scheint ebenso unbestritten.

Gerichtsakten
Aktenberge vor Gericht: Bereits seit längerer Zeit werden sie elektronisch erfasst. Symbol/VN/Paulitsch

Bereits Praxis

“Im Prinzip gibt es sie ‚in versteckter‘ Form bereits seit einiger Zeit”, so Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Karin Seidl-Wehinger. So diktieren beispielsweise etliche Richter Urteile oder andere Inhalte und verfolgen vor ihnen am Bildschirm mit, wie KI den Text schreibt und gliedert. Schriftführerinnen, die die Aufnahme stundenlang abtippen mussten, gehören schon vielfach der Vergangenheit an. Ebenso können Verhandlungsprotokolle theoretisch gleich schriftlich festgehalten, ausgedruckt und anderen Verfahrensbeteiligten mitgegeben werden. Ab wann etwas aus technischer Sicht als “künstliche Intelligenz gilt”, ist für Laien nicht so leicht zu durchschauen. Auch bei Telefonserviceangeboten, bei denen eine Stimme den Anrufer mit “… dann drücken Sie bitte die 1, …” weiterleitet, geht es schon lange in diese Richtung. Etwas detaillierter wird künftig die künstliche Telefonistin oder Sekretärin nachfragen, um welches Anliegen es geht, ob man zurückgerufen werden oder allenfalls gleich einen Termin vereinbaren möchte.

Karin Seid-Wehinger
Vize-Landesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger: “Der eigene Eindruck ist unersetzbar.” Justiz

Gewisse Gefahren

Auch bei Fahrassistenten ist man das “Gespräch” mit dem virtuellen Partner gewohnt. Ob allerdings KI bei Gerichtsverhandlungen noch viel weiter um sich greift, ist fraglich. “Der persönliche Eindruck von Kläger, Beklagten, Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen ist äußerst wichtig”, betont Seidl-Wehinger den Grundsatz der Unmittelbarkeit. Bei reinen Aktenverfahren ist es noch eher denkbar, mit KI zu arbeiten. Aber wenn es um Glaubwürdigkeit, unmittelbare, spontane Reaktionen und Ähnliches von Menschen geht, ist der eigene Eindruck unersetzbar. Auch die Gefahr, dass KI sich verselbständigt und am Ende dem Menschen überlegen ist, besteht. Was, wenn sensible Daten an die Öffentlichkeit gelangen und Mechanismen sich nicht mehr kontrollieren oder stoppen lassen?

Edgar Veith betont, dass die österreichische Justiz grundsätzlich sehr fortschrittlich ist: “Wir waren beim elektronischen Grundbuch Vorreiter und auch beim elektronischen Akt.” Das bestätigt auch Seidl-Wehinger. Wie viel Einfluss man Computern in der Justiz einräumen will, wird die Zukunft zeigen.