Ganz schön cool: Die Eisschwimmer von Bregenz

In den kalten Gewässern des Bodensees findet sich eine eingeschworene Gemeinschaft, die dem Eisbaden frönt – bei jeder Witterung.
Bregenz Sie gleiten elegant ins Wasser, ohne Prusten, ohne Hecheln – und das bei Wassertemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt: Eine eingeschworene Gemeinschaft am See kennt keine Kälte – sie schwimmen das ganze Jahr über, unabhängig vom Wetter. Einer von ihnen ist Reinhard Lutz. Der 59-Jährige hat die Leidenschaft fürs Eisbaden vor etwa fünf Jahren entdeckt, als er während einer turbulenten Lebensphase Hilfe gegen depressive Verstimmungen suchte.

„Zuerst habe ich mit kaltem Duschen begonnen”, berichtet der sportliche Harder, der zuvor auch mit Karate, Biken, Krafttraining, Rudern und Schwimmen beschäftigt war, doch sind ihm die letzten drei Disziplinen erhalten geblieben. Reinhard kommt etwa fünfmal in der Woche mit dem Fahrrad an den See nach Bregenz: „Dann habe ich bereits die richtige Betriebstemperatur“, erklärt er mit einem Grinsen. Besonders kalt war es an einem Dezembertag mit klirrend kalten 4 Grad Wassertemperatur und Schnee. Seine persönliche Höchstleistung erreichte der gelernte Metzgermeister a.D. in einem eisigen Bach bei einem Grad Wassertemperatur, wo er zweieinhalb Minuten ausharrte.

Die heilende Kälte
Auf extrem niedrige Temperaturen reagiert der Körper mit der Ausschüttung wertvoller Stoffe wie Adrenalin, Endorphine und entzündungshemmende Kortikoide. “Beim Eintauchen in das kalte Wasser bist du ganz im Hier und Jetzt, da gibt es kein Grübeln oder Studieren“, erzählt Reinhard, dem es heute mental viel besser geht. Es ist erwiesen, dass extreme Kälte den Zellstoffwechsel anregt, durchblutungsfördernd und entzündungshemmend wirkt. Das hilft vor allem Menschen mit Schmerzerkrankungen des Bewegungsapparates oder unterstützt Patienten mit entzündlichen Erkrankungen der Gelenke.

Die Gemeinschaft der Eisbader
Eine Dame mit nassen Haaren zieht sich gerade an. Sie kommt aus Deutschland und ist von der kühlen Ostsee mit maximal 16 Grad Wassertemperatur nicht gerade verwöhnt. Sie schwimmt vom ersten Steg bis fast zur Mili – ähnlich wie Ludwig Weh. Dieser bereitet sich sorgfältig auf sein Treffen mit dem 7,6 Grad kalten Wasser vor. Neoprenhandschuhe und Flossen sind für ihn unverzichtbar, denn diese Körperteile kühlen besonders schnell ab, besonders wenn man, wie er, über zehn Minuten im Wasser verbringt.

Zur kleinen Gruppe gesellen sich an diesem frühlingshaften Märztag weitere Fans des Winterschwimmens. “Du darfst im Herbst einfach nicht mit dem Schwimmen aufhören”, rät Gesundheitsberaterin Evi Weh-Müller, die sich ebenfalls für das Abtauchen vorbereitet. In ihrem Garten hat sie eine Tonne, der sie mit der Axt zu Leibe rückt, sobald sich Eis bildet.

Momentaufnahmen am See
Gleichzeitig springt ein junggebliebener Schwimmer mit einem Kopfsprung ins kalte Nass, zur großen Freude von Frau und Kind. Eine junge Frau steigt geschickt die Treppe hinunter ins Wasser und sagt fast entschuldigend: “Ich habe erst diese Saison begonnen.” Auch sie taucht ohne erschrockenes Einatmen ein. Andreas, der seit drei Jahren ein enthusiastischer Winterschwimmer ist, äußert begeistert gleich bei seiner Ankunft: “Ich will ins Wasser!” Diese bekannte Redewendung ist den Sonnenanbetern im Sommer wohlvertraut; bei zwölf Grad Außentemperatur jedoch klingt sie besonders entschlossen.

Das Gefühl der Erneuerung
„Herrlich“ Du fühlst dich wie neugeboren!”, finden die Eisschwimmer, als sie geschlossen krebsrot an Land gehen. Reinhard zieht sich wieder an. Schon bald könnten ihm die Temperaturen zu mild werden. “Für den Sommer plane ich, mir eine Tiefkühltruhe zuzulegen, um weiterhin Kälte zu genießen. Einige nützliche Tipps habe ich bereits auf YouTube gefunden”, teilt er lachend mit, zieht sich seine Wollmütze über die Ohren und setzt sich auf sein Fahrrad. MEC