“Wer in diesem Land die Arbeit macht”

Daniel Lienhard hat Heiligenstatuen gesammelt und in Arbeitsplatz-Szenen einmontiert.
St. Gerold Wenn man in der Probstei St.Gerold die Bilder der Ausstellung ansieht, denkt man bei Heiligen an Märtyrerinnen und Märtyrer, die für ihren Glauben an Gott leiden mussten und hingerichtet wurden. Sind für Künstler Daniel Lienhard Menschen, die als Paketzusteller, Krankenschwestern, Putzfrauen, Müllmänner arbeiten und die er mit Heiligen in Verbindung bringt, die Märtyrerinnen und Märtyrer unserer Marktwirtschaft?

Lienhard meint dazu: „Nein, so habe ich es nicht gesehen. Ich wollte bloß, dass man hinsieht. Ich wollte schon lange einmal etwas über Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen machen. Aber es blieb irgendwie diffus. Angefangen hat mein Interesse, als mir die vielen Lastwagen auffielen, die sich Nacht für Nacht auf den Rastplätzen der Rheintalautobahn drängen, die imposanten Trucks der Fernfahrer lassen vergessen, dass da eigentlich Arbeitssklaven unterwegs sind.“

Er wusste lange nicht, wie er das Thema illustratorisch angehen sollte, er hätte das Thema dramatisieren oder überzeichnen können, aber er wollte nichts Reißerisches. Humor passte gar nicht, obwohl er sich sonst sehr gerne auch über Ernstes lustig macht. Da ist er zufällig auf die Skulptur des Heiligen Benedetto gestoßen, ein dunkelhäutiger Migrant als Ernte-Sklave in Süditalien. Lienhard: „Dafür müssten wir eigentlich nicht fünf Jahrhunderte zurück, das haben wir heute vor der globalen Haustür. Und so prallte in meinem Kopf und in meinem Herzen die Welt des Heiligen aus Palermo auf die Welt der Fernfahrer auf der Rheintalautobahn. Jetzt wusste ich, wie ich’s machen wollte.“

Wenn er einen in Gold gekleideten Benedetto zum Müllauto stellt, will er erreichen, dass man diesen Müllarbeiter mit anderen Augen sieht. Er will nicht moralisieren, er will die Leute, die ganz unten in der Gesellschaft stehen, erhöhen. Der massive Wohlstand in unseren Breiten kann nur aufrecht erhalten werden durch das Ausnützen der Zudienerinnen und Zudiener des Systems. Anders rechnet sich das nicht.
In der Bildserie über Leute in prekären Arbeitsverhältnissen mit dem Titel: «Wer in diesem Land die Arbeit macht», werden zwölf Heiligenfiguren an die Stelle jener Menschen gerückt, die solche Arbeiten normalerweise ausführen. Zum Beispiel sitzt die spätgotische Figur der Heiligen Katharina aus dem 13. Jahrhundert an einer Supermarktkasse. Mit dieser künstlerischen Verfremdungsstrategie kombiniert er gerne Elemente aus verschiedenen Welten und hofft auf einen Überraschungseffekt. Hier also Heilige aus der Welt von Religion und Spiritualität mit Arbeitsverhältnissen in der freien Marktwirtschaft.
Wo man gestutzt hat, schaut man vielleicht nochmals genauer hin und das ist was er will: Dass man genauer hinschaut, die Leute sehen, die für uns den Dreck machen, nicht nur sehen, sondern auch ansehen und das würdigen, was sie für uns tun.
Pianistin Serra Tavsanli suchte dazu an diesem Vormittag nach ungewöhnlichen Formen und Formaten und brachte so ihre Musik in Dialog mit dieser Ausstellung. Sie hatte sich tief in die Welt von Bach hineingewagt und mit der Musik die sie dazu komponiert hatte ging sie beim Spiel völlig darin auf.
Das abschließende „Streitgespräch“ zwischen dem katholischen Pater Martin und dem reformierten Daniel Lienhard drehte sich um die Position von Heiligen, der eine, Pater Martin wollte Heiligenfiguren “erden”, damit sie auch wieder richtige Vorbilder werden können, er nimmt sie von ihrem Sockel herunter, der Künstler hebt sozusagen die für uns den Dreck machen aus dem Alltag empor. HAB