Wie Ganahl aus Frastanz ein Industriezentrum machte

Die Firma Ganahl prägte Frastanz wie kaum ein anderes Unternehmen.
Frastanz Mitte des 19. Jahrhunderts: Ein ruhiges Bauerndorf, das kurz darauf zur Industriehochburg wird. Die Unternehmerfamilie war bereits in Bludenz und Feldkirch aktiv, als sie neue Kapazitäten suchte. Nach dem Brand der Bludenzer Spinnerei 1832 und der Überlastung der Feldkircher Anlage wurde Frastanz zum idealen Standort – nicht zuletzt wegen der Wasserkraft von Samina und Ill.

Pionierleistung
1835 entstand ein für die Region imposanter Fabrikbau: 15 Achsen lang, drei breit, mehrgeschossig und mit einem Walmdach abgeschlossen. Bald folgte eine Weberei. Besonders fortschrittlich: der heute verschwundene Wasserturm der Feuerlöschanlage – eine der ersten freistehenden Eisenkonstruktionen Vorarlbergs. In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Standort stetig. Weitere Produktionshallen entstanden, darunter ein großes Baumwollager zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und 1963 eine neue Weberei außerhalb des Areals. Parallel entwickelte sich südlich des Dorfes ein weiteres Industrieareal. Die Glockengießerfamilie Grassmayr hatte dort 1832 eine kleine Spinnerei gegründet, die sie bald um eine Eisengießerei und mechanische Werkstätte ergänzte. Damit konnten erstmals Maschinenteile in Vorarlberg selbst produziert werden – ein Meilenstein der Industrialisierung.

Historische Maschinenhalle abgerissen
Der markanteste Bau war die Maschinenfabrik in Basilikaform. Hier kam erstmals Zement zum Einsatz. 1860 übernahm Carl Ganahl auch dieses Werk. Die beiden Fabriken nutzten fortan Synergien, blieben aber eigenständig. Doch der industrielle Glanz verblasste langsam. 1914 wurde die Eisengießerei geschlossen, die Textilproduktion lief in Teilen noch bis 1958. Nach der Liquidation der Textilwerke Ganahl 1986 wurden große Teile des Areals verkauft oder abgerissen – darunter 2000 auch die historisch bedeutsame Maschinenhalle.

Werksbad und Werksküche
In der Oberen Fabrik, die nach Plänen des Frastanzer Architekturbüros Joachim Schmidle adaptiert wurde, befinden sich heute verschiedene Büros und die Vorarlberger Museumswelt. Die Museumsräume und der Wollerschopf wurden durch das Architekturbüro Raumhochrosen und die Berliner Szenefotografen Chezweitz neu konzipiert. Das Elektrotechnische Museum in der restaurierten Turbinenanlage erinnert an die innovative Energieversorgung: Ganahl baute eigene Wasserkraftwerke, versorgte sich autark und unterhielt eine eigene Bauabteilung. Diese errichtete nicht nur Fabriksgebäude, sondern auch Arbeiterwohnungen, ein Werksbad und eine Werksküche. 1933 besaß die Firma 26 Wohnhäuser mit 151 Wohnungen in Frastanz. Einige Gebäude sind bis heute erhalten. Auffällig ist, dass es im Gegensatz zu anderen Industriestandorten hier nie ein Mädchenheim gab – vermutlich, weil der Zuzug von Arbeiterinnen aus dem Trentino vergleichsweise gering war. Die Geschichte der Firma Ganahl zeigt, wie unternehmerischer Weitblick einen ganzen Ort verändern kann. Frastanz verdankt dem Textilbetrieb nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung, sondern auch wichtige Kapitel seiner Bau- und Sozialgeschichte. CEM
