Als die Milch noch in der Kanne geholt wurde

Heimat / 02.07.2025 • 11:21 Uhr
Der Milchhof Bludenz in der Jellerstraße, um 1990 (os)
Der Milchhof Bludenz in der Jellerstraße, um 1990.Otto Schwald

Der Milchhof in der Jellerstraße versorgte die Bludenzer Bevölkerung mit Milchprodukten.

Bludenz Die Versorgung der Bludenzer Bevölkerung mit Milch und Milchprodukten oblag in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Molkereigenossenschaft Nüziders, die in der Rathausgasse, der einstigen Metzggasse, eine eigene Niederlassung hatte. Milchgeschäfte gab es damals allerdings in der gesamten Innenstadt, in jeder Gasse befand sich – wie das früher auch bei Metzgereien oder Bäckereien der Fall war – ein eigenes Geschäft. So befand sich etwa in der Sturnengasse die Molkerei Häusle oder in der Mühlgasse die Molkerei Berchtold.

Als die Milch noch in der Kanne geholt wurde: Der Aufgang zum bereits verwaisten Geschäft vor dem Abriss im Jahr 2000 (os)
Der Aufgang zum bereits verwaisten Geschäft vor dem Abriss im Jahr 2000.

1940 trafen sich die Genossenschaften der gesamten Region, um über die Errichtung einer Zentralmolkerei zu beraten. Die Reichsbauernführung hielt eine solche im Interesse einer „erfolgreichen Fettversorgung des Reiches umgehend für notwendig“. Letztlich ging es aber auch um die Kontrolle der Milchausgabe, denn mit einer derartigen Einrichtung werde „eine neue, der nationalsozialistischen Wirtschaftsführung voll entsprechende volkswirtschaftlich wertvolle Maßnahme verwirklicht“ (Vorarlberger Tagblatt, 15.2.1940). In erster Linie konnte dadurch aber vor allem der Ab-Hof-Verkauf kontrolliert und nötigenfalls empfindlich bestraft werden.

Schließlich wurde an der Ziegelhüttenstraße (heute Jellerstraße) im Bludenzer Unterfeld um 280.000 RM der Milchhof errichtet. Dieser übernahm in den folgenden Jahrzehnten die Versorgung der Stadt Bludenz und der umliegenden Gemeinden. Zudem wurde an der Jellerstraße auch ein kleines Geschäft für Milchprodukte geführt, das bei den Bludenzern sehr beliebt war. Hier konnte man bei der freundlichen Bedienung noch lange Milch mit der Kanne abholen, als in den Lebensmittelgeschäften längst Tetrapaks Einzug gehalten hatten. Den Topfen konnte man je nach Bedarf in kleinen oder großen Portionen kaufen, eingeschlagen in einem Wachspapier. Auch Käse gab es in allen möglichen Varianten.

Als sich 1974 die Molkereien Bludenz und Feldkirch zum Milchhof Oberland zusammenschlossen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Produktion immer mehr nach Feldkirch und mit dem 1993 vollzogenen Zusammenschluss zu Vorarlberg Milch war das Schicksal des Milchhofs in Bludenz endgültig besiegelt. Er wurde geschlossen und im Jahr 2000 abgetragen. Auf dem Areal entstand eine Wohnanlage. OS