Zwischen NS-Propaganda und Popkultur

Salonvortrag präsentierte Blasmusik zwischen unterschiedlichen kulturellen Welten
Bludenz Im zweiten Herbstvortrag der vom Verein Villa Falkenhorst und der VHS Bludenz durchgeführten Salonvortragsreihe stand die Blasmusik im Zentrum der Betrachtung. Der Musikwissenschaftler Bernhard Achhorner widmete sich dabei der Rolle der Blasmusik in Österreich zu unterschiedlichen Zeiten, denn Musik produziere immer Bedeutung, wobei sich gerade bei diesem Genre die Bandbreite vom Aufrechterhalten von Traditionen bis hin zu modernen Ausrichtungen erstrecke.
Im ersten Teil seines Vortrags ging der Referent auf die Bedeutung der Blasmusik in den Zeiten des Nationalsozialismus ein. Weil sie laut, sichtbar und mobil war, wurde gerade sie zur Trägerin ideologischer Identität, war Kern einer „klingenden Volksgemeinschaft“. Allerdings war das nicht eine Erfindung der Nationalsozialisten, die Basis für die Instrumentalisierung der Blasmusik wurde schon in der Zwischenkriegszeit gelegt, als die Stimmung in Österreich religiös-nationalistisch aufgeladen war. In den 1930er Jahren verstärkte sich das, wobei das religiöse Element nebensächlich wurde. Im Vordergrund stand schon bald der Kampf gegen „volksfremde“ Kunst, was sich auch in der Bildung eigener Organisationen niederschlug.

Für die Nationalsozialisten war die Blasmusik das ideale Mittel, bei Aufmärschen, Platzkonzerten oder Feierstunden die Ideologie zu verfestigen. Gauleiter Franz Hofer sah seinen Gau Tirol-Vorarlberg als Hochburg der Bewegung, in der Brauchtum, Schützen und Blasmusik eine wichtige Rolle spielten. In der großen Zahl von ca. 300 Kapellen in diesem Gau wurde besonders die heimatliche Bodenständigkeit betont. Musiker wie Josef Eduard Ploner oder Sepp Tanzer machten unter den Nazis große Karriere, die Wiltener Kapelle wurde unter Tanzer zum „Eliteensemble der Bewegung“. Nach 1945 verblieben dann zahlreiche Musiker in Führungspositionen, unter dem Vorwand der Traditionspflege war damals Kontinuität angesagt. Erst in den 1980er Jahren begann schließlich die längst überfällige kritische Aufarbeitung.
In der jüngeren Vergangenheit – so Achhorner im zweiten Teil seines Vortrags – entwickelte sich die Blasmusik in eine völlig andere Richtung. Neben dem Bewahren des Traditionellen mit Heimatbezug wurden neue Wege beschritten. Plötzlich traten Blasmusikanten bei Festivals auf, die Popularisierung und damit eine kulturelle Neuausrichtung begann. Sichtbares Zeichen ist das 2011 gegründete „Woodstock der Blasmusik“, bei dem den über 100.000 Besuchern an mehreren Tagen und auf mehreren Bühnen die Vielfalt der Blasmusik vor Augen geführt wird. Im Vordergrund steht dabei das Community-Erlebnis, bei dem sich zeitweilig auch die Grenzen zwischen Musizierenden und Publikum auflösen.
Wie beim Nationalsozialismus zeigt sich aber auch bei den Entwicklungen der letzten Jahre, dass Musik immer ein Spiegel gesellschaftlicher Umstände ist. Gerade die Blasmusik – mit ihren heute vielfältigen künstlerischen Möglichkeiten zwischen Tradition und Popkultur – macht deutlich, dass dieser Spagat durchaus gelingen kann. Der Zustrom von jungen Musikerinnen war selten so groß wie in der heutigen Zeit – wohl auch eine Folge des neuen Variantenreichtums der Blasmusik, der sich stark an der Popmusik orientiert und teilweise zu ironischen Brechungen führt, wenn etwa Mnozil Brass die ganze musikalische Bandbreite nutzt und etwa die Wilhelm-Tell-Ouvertüre von Rossini mit dem Heidi-Lied kombiniert.
Bernhard Achhorner ist es mit seinem Vortrag eindrucksvoll gelungen, einerseits auf den Missbrauch der Blasmusik in einer dunklen Zeit hinzuweisen, andererseits die großen Möglichkeiten dieses Genres in der Gegenwart aufzuzeigen. OS
Der nächste Salonvortrag findet am Mittwoch, 3. Dezember, um 9.30 Uhr in der Villa Falkenhorst statt. Thema ist “Die schönen Frauen und der Tod”.