Wohnen in historischem Gemäuer

Schlossbräu. Neben der Pfarrkirche und dem Kaplanhaus gehört das Schlossbräu zu den interessantesten Gebäuden des historischen Kerns des Dornbirner Oberdorfs. Wo früher getanzt, gegessen und getrunken wurde, wird heute allerdings gewohnt und gespielt. Autor: Edith Schlocker | Fotos: Wolfgang Schlocker, Albrecht Imanuel Schnabel, Markus Gmeiner
as Schlossbräu kennt praktisch jeder Dornbirner. Ältere Semester erinnern sich gern an die rauschenden Bälle, auf denen sie im großen Saal dieses ehemaligen Gasthauses getanzt, andere an feuchtfröhliche Nächte oder schöne Familienfeste, die sie hier gefeiert haben. Bevor das gastliche Haus zugesperrte und das schöne alte Gemäuer mit seinem charakteristischen roten Fachwerk – obwohl unter Denkmalschutz stehend – immer mehr verfiel. Handlungsbedarf war gegeben und zwar dringend.
Die Zeiten, in denen es wie etwa um 1910 allein im Dornbirner Oberdorf 14 Gasthäuser gab, sind allerdings längst vorbei. Woran es heute fehlt, sind Wohnungen. Und so hat die VOGEWOSI die Chance ergriffen, das Schlossbräu zu kaufen und in ein Wohnhaus zu verwandeln. Interessant wurde das Projekt für die Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft allerdings nur deshalb, weil der alte große Saal abgerissen werden und an seiner Stelle ein neues Wohnhaus samt Tiefgarage mit 22 Stellplätzen an das alte Schlossbräu angedockt werden durfte. Auf diese Weise sind 23 barrierefreie Mietwohnungen (17 im neuen, sechs im alten Haus) in der Größe zwischen 43 und 94 m2 entstanden. Im Erdgeschoß des alten Hauses wurde auf 143 m2 außerdem ein Kinderhort eingerichtet, im neuen eine 51 m2 „große“ Elastic Living Unit-Wohnmaschine.
Als Direktvergabe mit dem Um- bzw. Zubau des Schlossbräu betraut wurden die Dornbirner Architekten Bernd Spiegel und Hannes Michelon, die viel Erfahrung mit der Sanierung geschichtsträchtiger Orte mitbrachten. Ihnen war sehr wichtig, dass von innen wie außen immer ganz klar ablesbar bleibt, was alt und was neu ist. Um trotzdem als Einheit empfunden zu werden. Wenn etwa der in einer schnörkellos funktionellen Handschrift an das Bestandsgebäude angedockte Neubau aus Stahlbeton mit seinen wie schlichte Körbe aus perforiertem Metall daherkommenden Balkonen aufgemalte Fensterläden bekommen hat, die eindeutig als Zitate der grünen hölzernen Läden des Schlossbräu zu lesen sind.
Da sich bei der näheren Untersuchung des aus den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts stammenden Schlossbräu dessen „charakteristische“ Fachwerkfassade als bereits in den 70er-Jahren überarbeitet herausstellte, wurde dieses mit Zustimmung des Denkmalamts bei der nunmehrigen Sanierung entfernt und durch eine glatte, wenn auch aus energetischen Gründen außen perfekt gedämmte Putzfassade ersetzt. Was rein aus baukünstlerischen Gesichtspunkten schon wehgetan habe, sagt Bernd Spiegel, denn „wir haben die Sanierung des Schlossbräu wirklich gelebt“. In der Sensibilität, in der diese Revitalisierung über die Bühne ging, ist sie aber durchaus vertretbar. Etwa durch die den Baukörper schön strukturierende Kante, die zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoß gesetzt wurde, die Rekonstruktion der alten hölzernen Kastenfenster oder des steilen, eigenwillig geknickten Satteldachs. Der Haupteingang in das neue und in das alte Wohnhaus erfolgt hofseitig. Schöne alte Gewölbe führen zum alten und einem neuen Stiegenhaus bzw. einem Lift, wobei es für die Architekten keine leichte Aufgabe war, die unterschiedlichen Niveaus der beiden Häuser auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die Wohnungen mit ihren funktionellen Grundrissen in den vier Geschoßen des neuen Teils werden südostseitig durch einen Laubengang erschlossen. In den mächtigen Dachboden des ehemaligen Schlossbräu haben Spiegel und Michelon drei reizvoll von zwei Seiten belichtete Wohnungen hineingebaut, wobei die alten Dachbalken teilweise offen sichtbar geblieben sind.
Der schöne alte hölzerne Fußboden der ehemaligen Gaststube des Schlossbräu im ersten Obergeschoß wurde ausgebaut und im Erdgeschoß wieder eingebaut. Dort, wo heute rund 16 Kinder zwischen einem und vier Jahren unter stimmungsvollen alten Gewölben tagsüber liebevoll betreut werden.
Wir haben die Sanierung des Schlossbräu wirklich gelebt.

Die beiden Dornbirner Architekten Bernd Spiegel (links) und Hannes Michelon brachten viel Erfahrung mit der Sanierung und Revitalisierung denkmalgeschützter Architekturen mit.

Wo früher gegessen und getrunken wurde, spielen heute Kinder zwischen ein und vier Jahren unter stimmungsvollen Gewölben und auf dem schönen alten Riemenboden, der aus einem Saal im ersten Geschoß übertragen wurde.

Die im Erdgeschoß des Neubaus eingerichtete Wohnbox von Angelo Roventa ist zwar nur 51 Quadratmeter groß, wird durch ihre Verwandelbarkeit aber fast als 200-Quadratmeter-Wohnung erlebt.

Erhalten vom alten Schlossbräu wurde so viel wie möglich. Auch die alten Gewölbe, die nun den Gang zwischen beiden Gebäudeteilen bilden. Rechts geht es zu den sechs Wohnungen im Altbau, links zu den 23 neuen.

Um möglichst viel Licht in das Haus zu bringen, wurden in das neue und das alte Dach Fenster geschnitten. Wobei den Architekten wichtig war, dass bei jedem Detail klar ablesbar bleibt, was alt und was neu ist.

Das Stiegenhaus im neuen Trakt des Schlossbräu ist funktionell schnörkellos. Die Treppen sind aus Sichtbeton, die Böden mit grauem Feinsteinzeug gelegt, die Wände weiß, die Geländer aus dunkelgrau beschichtetem Metall.

Metallkörbe Der neue Trakt, der an Stelle des ehemaligen Saales an das alte Schlossbräu angedockt wurde, hat tiefe Balkone aus perforiertem Metall, die wie mächtige Körbe an die Fassade gehängt wurden.

Alt und neu Den Architekten war es wichtig, dass bei jedem Detail klar ablesbar ist, was liebevoll revitalisierter Altbestand und was neu ist.

Fensterläden Beide Hausteile des Schlossbräu haben ein Satteldach, hölzerne Fensterläden hat nur der alte. Hübsche Zitate von diesen finden sich allerdings neben den dreifach verglasten Fenstern des neuen in der Form von auf die Fassade gemalten grünen Streifen.