Türen auf für Kultur am Land

Immo / 21.04.2016 • 12:41 Uhr
Türen auf für Kultur am Land

Selten gibt es so glückliche Fügungen, wie die jene um ein altes Bauernhaus in Nenzing, bei dem engagierte und mutige Menschen das eigene Leben umkrempeln und andere gleich mitprofitieren können. Die Artenne Nenzing ist so ein Fall, bei dem aus einer privaten Initiative gesellschaftlicher und kultureller Mehrwert entsteht. Mit geringen finanziellen Mitteln, dafür mit Herz, Hirn und Verstand. Autorin: Verena Konrad | Fotos: Helmut Schlatter, Markus Bstieler

as „Martehaus“, ein 1841 errichtetes landwirtschaftliches Gebäude in Nenzing, ist eines von wenigen erhaltenen Häusern dieser Art im Walgau. Mit gemauerten Pfeilern und dazwischen platzierten Holzelementen erinnert es ein wenig an Bündner Häuser. Massiv und klar sind diese von außen meist als Steinhäuser wirkenden Gebäude im Kern oft Holzhäuser. Wohn- und Wirtschaftsteil liegen hintereinander. Die vertikalen Holzwände sind zumeist mit Lüftungsschlitzen versehen, damit das Heu gut trocknen kann. Das Martehaus war über lange Zeit Standort eines innovativen Landwirtschaftsbetriebs, der ab den 1960er-Jahren vor allem im Gemüseanbau tätig war und Pflanzen bzw. Setzlinge in Glashäusern zum späteren Verkauf zog. Doch auch hier gab es einen Wandel. Der Betrieb wurde unrentabel, dem Gebäude drohte Verfall.

Ender der 1980er-Jahre stand eine Erbschaft an. Entgegen freundschaftlichem Rat entschieden sich Hildegard und Helmut Schlatter das Gebäude zu übernehmen. Eine kulturelle Nutzung war bald mit angedacht, schon in den 1990er Jahren fanden dort erste Kulturveranstaltungen statt. Ab 2005 entwickelte sich der Wunsch, das Gebäude zu revitalisieren und damit auch eine ganzjährige Bespielung möglich zu machen, die sich an einer Kultur für und aus dem ländlichen Raum verstehen sollte. Der Verein „Artenne Nenzing“ wurde gegründet. Heute ist der Verein überregional bekannt und geschätzt und hat mit der baulichen Umgestaltung des „Martehauses“ den Ort zur Programmatik werden lassen, und umgekehrt.

Um ein altes Gebäude nicht nur zu sanieren, sondern zu revitalisieren, braucht es neben der Sensibilität für das zu Erhaltende auch technische Kompetenz. Die Bauherren erkannten die Wichtigkeit der Einbindung professioneller Partner. Für eine erste Beratung wandte sich das Bauherrenpaar an das Vorarlberger Architektur Institut, damals unter der Leitung von Marina Hämmerle. Man entschied sich für die Abhaltung eines Architekturwettbewerbs, zu dem vier Teams eingeladen wurden. Der Feldkircher Architekt Hansjörg Thum bekam den Zuschlag. Die gemeinsame Weiterentwicklung des Wettbewerbsbeitrages begann. Mitgetragen wurde das Projekt ob der erhofften kulturellen Wirkung für die gesamte Region vom EU-Leader-Förderprogramm.

Von außen blieb das Gebäude in seiner Form erhalten. Im Rauminneren wurde der Raum von Einbauten befreit und zwölf Meter lange, durchgehende Dielen aus Weißtanne wurden verlegt. Der ehemalige Kuhstall wandelte sich zum ganzjährig nutzbaren Raum mit
400 m2 Spielfläche für Kultur und Kunst aller Sparten. Zwei Treppen aus rohem Walzblech stehen wie Möbel im Raum und ersetzen die ehemals in der Scheune verwendeten Holzleitern.

Dem Architekt und den Bauherren gelang es, die Atmosphäre der Scheune zu erhalten und dennoch einen funktionierenden Ausstellungs- und Veranstaltungsraum zu realisieren. Der Architekturpublizist Otto Kapfinger bezeichnete das Projekt als „ein Beispiel von allgemeinster Relevanz, wie aus Privatinitiative, mit minimalen Mitteln, mit Einbindung institutioneller und professioneller Kompetenz alltäglicher, unspektakulärer Raum für neue Nutzungen belebt werden kann und damit öffentlicher, baukultureller Mehrwert entsteht.“ Es ist ein schöner Erfolg, dass sich die Artenne mit dem Bau auch als Verein weiterentwickelte und der Wert der Arbeit, die hier entsteht, von vielen kulturinteressierten Menschen erkannt und geschätzt wird. Auch aus Architekturkreisen kommt Bestätigung. Das Projekt war 2011 einer der Preisträger des ZV Bauherrenpreises und bekam 2013 den BTV Bauherrenpreis überreicht.

Mich freut es, dass es mit dem Umbau gelungen ist, den besonderen und einmaligen Raum der Scheune zu erhalten. Der Bestand führte Regie.

Türen auf für Kultur am Land Der Verein Artenne Nenzing veranstaltet Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und vieles mehr in revitalisierter Bausubstanz.

Türen auf für Kultur am Land Der Verein Artenne Nenzing veranstaltet Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und vieles mehr in revitalisierter Bausubstanz.

Das rohe Wellblech, das für die beiden Treppen und einen Steg verwendet wurde, ist Kontrastmaterial im sonst von Holz und Mauerwerk bestimmten Raum.

Das rohe Wellblech, das für die beiden Treppen und einen Steg verwendet wurde, ist Kontrastmaterial im sonst von Holz und Mauerwerk bestimmten Raum.

Auf mehreren Etagen können sich Besucher(innen) durch das ehemalige landwirtschaftliche Gebäude bewegen. Die Grundstruktur der Scheune mit ihren baulichen Elementen blieb erhalten.

Auf mehreren Etagen können sich Besucher(innen) durch das ehemalige landwirtschaftliche Gebäude bewegen. Die Grundstruktur der Scheune mit ihren baulichen Elementen blieb erhalten.

Lichtspiel. Zarte Vorhänge dämmen das Licht für den Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb und zeichnen verspielte Rautenmuster in den Raum.

Lichtspiel. Zarte Vorhänge dämmen das Licht für den Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb und zeichnen verspielte Rautenmuster in den Raum.

Schauen, staunen, denken – die Ausstellungen in der Artenne sind kleine, aber hochwertige Produktionen mit wechselndem Display.

Schauen, staunen,
denken – die Ausstellungen in der Artenne sind kleine, aber hochwertige Produktionen mit wechselndem Display.

In der ehemaligen Scheune findet alles Platz: Nunmehr sind es Skulpturen, Installationen, Screenings, Sammlungsexponate etc. Vor allem bietet die Artenne aber Raum für Begegnung und kulturelle Inspiration.

In der ehemaligen Scheune findet alles Platz: Nunmehr sind es Skulpturen, Installationen, Screenings, Sammlungsexponate etc. Vor allem bietet die Artenne aber Raum für Begegnung und kulturelle Inspiration.

Markanter Bau mit 170-jähriger Geschichte Die Scheune des Martehauses, das weiterbesteht, wurde zum Kulturort umgebaut.

Markanter Bau mit 170-jähriger Geschichte Die Scheune des Martehauses, das weiterbesteht, wurde zum Kulturort umgebaut.

Wie Möbel setzte Architekt Hansjörg Thum zwei Treppenanlagen und einen Steg in den Raum, Einbauten wurden entfernt, die Scheune baulich „aufgeräumt“. Lange Dielen aus Weißtanne beruhigen den Raum.

Wie Möbel setzte Architekt Hansjörg Thum zwei
Treppenanlagen und einen Steg in den Raum, Einbauten wurden entfernt, die Scheune baulich „aufgeräumt“.
Lange Dielen aus Weißtanne beruhigen den Raum.

Besucher(innen) in der Ausstellung in der Artenne, einer Plattform für Kunst und Kultur, hier noch vor dem Umbau. Ab Spätsommer 2016 geht der Betrieb wieder los.

Besucher(innen) in der Ausstellung in der Artenne, einer Plattform für Kunst und Kultur, hier noch vor dem
Umbau. Ab Spätsommer 2016 geht der Betrieb wieder los.