Faszination für die Schönschreibkunst

VN / HEUTE • 15:55 Uhr
Renate Welte war 54, als sie sich als Kalligrafin selbstständig machte. HRJ
Renate Welte war 54, als sie sich als Kalligrafin selbstständig machte. HRJ

Was als Hobby begann, ist heute ihr Beruf: Renate Welte ist selbstständige Kalligrafin.

Klaus In ihrem Atelier in Klaus verwandelt die Kalligrafin Renate Welte (61) mit Feder, Tinte und einem Gespür für Ästhetik Worte in kleine Kunstwerke. Zwei Jahrzehnte lang war die Kalligrafie ihr Hobby. Im Alter von 54 Jahren machte sie ihre Freizeitbeschäftigung zum Beruf.

Kalligrafie ist die Kunst des schönen Schreibens mit Federkiel, Pinsel, Filzstift oder anderen Schreibwerkzeugen, bei der Ästhetik und Perfektion im Zentrum stehen. Ursprünglich in vielen Ländern aus religiösen und kulturellen Traditionen entstanden, hat die Kalligrafie heute nur noch in Asien, vorrangig in China, Japan und Korea hohen Stellenwert. Hierzulande wird die Zierschrift selten angewendet.

Mit Feder, Tinte und einem Gespür für Ästhetik schafft Renate Welte wahre Kunstwerke. HRJ
Mit Feder, Tinte und einem Gespür für Ästhetik schafft Renate Welte wahre Kunstwerke. HRJ

Renate Welte war um die 40, als sie ihre Leidenschaft für die Schönschreibkunst entdeckte – auf einem Markt: „Die Kalligrafin Roswitha Müller verkaufte dort ihre Werke. Ich war fasziniert davon und wusste, das will ich auch können. Ich lernte es bei ihr.“ Weiterbildungen folgten bei verschiedenen Lehrern verstreut in Europa.

Als gelernte Buchbinderin erzeugt und restauriert Renate Welte Bücher. HRJ
Als gelernte Buchbinderin erzeugt und restauriert Renate Welte Bücher. HRJ

Lehre mit 43 Jahren

Ihren beruflichen Weg startete Renate 15-jährig mit einer Lehre als Friseurin. Zehn Jahre stylte sie in einem Salon Haare. Dann hörte sie auf, denn sie brachte ihre erste Tochter zur Welt. Im Jahr darauf kam der Sohn an und vier Jahre später die zweite Tochter. Zwischendurch fand Renate Welte Beschäftigung als Tagesmutter, ließ sich zur Gruppenleiterin ausbilden und wurde Assistentin der Leiterin des Vereins für Tagesbetreuung. 

Die Beschriftung an der Fassade ihres Hauses hat die Kalligrafin natürlich selbst gestaltet. HRJ
Die Beschriftung an der Fassade ihres Hauses hat die Kalligrafin natürlich selbst gestaltet. HRJ

Sie war 43, als sie sich für eine Buchbinderlehre mit Spezialisierung Restaurierung entschied. Ihr Ausbildungsbetrieb war das Buchrestaurierungsatelier in Düns, die Lehrabschlussprüfung legte sie in St. Pölten (NÖ) ab: „Ich war 46, und meine Mitprüfungskandidatinnen waren Teenager“, erzählt sie. „Ich humpelte auf Krücken gestützt zur Prüfung. Kurz zuvor hatte ich einen Motorradunfall und wurde dabei schwer verletzt.“

2017, nach insgesamt zehn Jahren, verließ Renate das Dünser Buchrestaurierungsatelier. Im Jahr darauf absolvierte sie ein Gründerseminar der Wirtschaftskammer und machte sich als Kalligrafin selbstständig. Sie gründete 54-jährig ein Ein-Personen-Unternehmen. „Der Anfang war zäh. Als es gut lief, war Corona da. Und nichts ging mehr“, sagt sie im Rückblick auf eine schwierige Phase. Vor allem fehlten die Einnahmen durch ihre Kalligrafiekurse. „Unterrichten durfte ich nicht“, erklärt sie, „aber Auftragsarbeiten waren möglich“. Dazu zählen die Herstellung von Urkunden und Glückwunschkarten, das Beschriften von Kreidetafeln in der Gastronomie, Grabsteinschriften erneuern, individuelle Wandgestaltung in Wohnräumen und an Fassaden. Die Künstlerin illustriert auch Bücher, wie neulich den Gedichtband „über(s)leben“ von Monika Mayer-Pavlidis.

Die Künstlerin in ihrem Atelier in Klaus. Dort entstehen ihre Werke. HRJ
Die Künstlerin in ihrem Atelier in Klaus. Dort entstehen ihre Werke. HRJ

Seit die Corona-Maßnahmen Geschichte sind, weiht Renate auch wieder Interessierte in die Kunst des schönen Schreibens ein, in Kursen an den Volkshochschulen Bludenz und Bregenz sowie im Schlosserhus Rankweil. Des Weiteren lehrt sie Buchbinden, Bücher retten und reparieren sowie Bücher herstellen.

Renate Welte und ihre ehemalige Kalligraphielehrerin Roswitha Müller verbindet eine tiefe Freundschaft. HRJ
Renate Welte und ihre ehemalige Kalligraphielehrerin Roswitha Müller verbindet eine tiefe Freundschaft. HRJ

Meditative Tätigkeit

Seit September vergangenen Jahres ist Renate pensioniert. Ihr Unternehmen hält sie weiterhin aufrecht: „Meine Tätigkeit macht mir Freude. Und es ist schön, kreativen Menschen zu begegnen. Bei den Kursen oder hier bei mir im Atelier.“ Übrigens, jeder kann und sollte Kalligrafie lernen, empfiehlt sie. „Es ist eine meditative Tätigkeit. Man muss sich konzentrieren, kann also nicht an andere Sachen denken. An Alltagssorgen, zum Beispiel. Man beschäftigt sich mit etwas Positivem. Und das ist heilsam.“ HRJ

Zur Person

Renate Welte

Geboren 2. Februar 1964

Wohnort Klaus

Berufe Friseurin, Buchbinderin, Tagesmutter, Kalligrafin

Freizeit Schwimmen, das ganze Jahr über. Lesen und nähen.

Familie verheiratet mit Norbert, 2 Töchter, 1 Sohn

Kontakt www.renate-welte.at

„Jeder kann und sollte Kalligraphie lernen. Es ist eine meditative und heilsame Tätigkeit.“ Renate Welte, Kalligrafin
„Jeder kann und sollte Kalligraphie lernen. Es ist eine meditative und heilsame Tätigkeit.“ Renate Welte, Kalligrafin. hrj