Maßanzug mit neuem Saum
Aufgefrischt. Eine aufmerksame Revitalisierung schafft es, das Original wieder freizulegen und mit zeitgemäßem Wohngefühl zu versehen. Eine Variation über einen Klassiker der Vorarlberger Architekturgeschichte. Autor: Robert Fabach | Fotos: Petra Rainer
ie Siedlung in Bludenz war 1964 die progressive Antwort auf ein Problem, das bis heute aktuell ist: Die Landschaft verschwindet unter einem Teppich von Einfamilienhäusern, obwohl Grund und das Bauen selbst teuer sind. Schon damals hatte der Architekturkritiker Friedrich Achleitner die Zersiedelung beklagt. Für den Bludenzer Franz Bertel gab er den Anstoß mit einer Gruppe Gleichgesinnter neu, verdichtet und gemeinschaftlich zu bauen. Man besuchte internationale Vorbilder und fand mit Hans Purin auch einen geistesverwandten Planer. Aus den Ideen entstanden bis 1966 drei Reihenhäuser und in Folge neun schlanke Reihenhäuser als ganz eigener Typus mit einer Rasterbreite von nur 5,20 m.
Seither wurde im Laufe der Jahre die eine oder andere Adaption und Erneuerung durchgeführt, zumeist aber ohne Eingriffe ins Wesentliche. In jüngster Zeit fanden vermehrt Übergaben und auch Verkäufe statt, die nun Revitalisierungen nach sich ziehen.
Ein Teil der Siedlungen wurde mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt. Das Haus von Sylvia und Marcus Ender stand zwar noch nicht unter Denkmalschutz, die Umsetzung ihrer Revitalisierung fand aber große Zustimmung und wäre unter Schutz nicht anders ausgeführt worden. Marcus Ender ist selbst Architekt und Baumeister und scheute sich nicht, dieser Perle wieder alten Glanz zu verleihen und zugleich die Fassung nach seinen Wünschen zu erneuern. Selbstverständlich gibt es auch Wohnbegeisterte, die die Entstehungsepoche der 60er-Jahre als Gesamtkunstwerk schätzen und den Charme dieser Zeit ungesüßt genießen wollen. Doch es gibt eine Bandbreite von Maßnahmen, mit denen man zeitgenössische Standards und Komfort einfließen lassen kann, ohne der intelligenten und starken Grundidee eines Hauses Gewalt anzutun, sei es nun denkmalgeschützt oder nicht.
Marcus Ender hat sein neues Heim sorgsam von einzelnen Ergänzungen befreit, die Holzkonstruktion abgeschliffen und neu im alten Farbton lasiert. Die erhaltenen Stellen der ursprünglich nur mit Kalkfarbe weiß geschlämmten Wand aus Betonschalungssteinen hat er belassen. Man sieht die Fugenteilung noch und spürt den Handstrich des Verputzers. Die Fenster hat er den ursprünglichen Proportionen folgend neu herstellen lassen und dabei einzelne Veränderungen wieder rückgeführt. Nur die Öffnungsflügel setzen sich mit sichtbarem Eichenholz deutlich von den schwarzen Rahmen ab. Auch die ursprünglich hellen Treppenstufen und das stark abgenutzte Buchenparkett hat er durch dunkel lasiertes Industrieparkett aus
Eiche ersetzt.
Die Wasser- und Elektro-installationen wurden vollständig erneuert. Die Leitungen wurden aber nicht in der Wand geführt, sondern in sorgfältig geplanten Kanälen, die hinter Schränken verschwinden und im neuen Fußboden zu den Lichtauslässen geführt werden. Auch die Küche wurde erneuert. Es wurde bewusst auf Hoch- und Oberschränke verzichtet, die Arbeitsplatte angehoben und etwas mehr Lager und Kühlraum im Keller vorgesehen. Ein Akzent wurde durch die Arbeitsplatte und die Fußböden am Treppenpodest gesetzt. Handverlesener Rheinkies wurde vor Ort – für die Küche im Werk – zu einem dunklen Kunststein verarbeitet, der matt geschliffen wurde.
Bei einer solchen Revitalisierung muss die Auswahl der Möbel gezielt erfolgen: Wer bedenkenlos eine riesige Couch in diese feingliedrigen Raumfolgen stellt, wird bald das Missverhältnis und Enge spüren. Mit einem wirkungsvollen Eingriff wurde das Bad erneuert. Durch die Verbindung mit dem ursprünglich abgetrennten WC wird moderne Geräumigkeit erzielt. Drei Spiegel können über das schmale Bandfenster geschoben werden und geben dem Raum luxuriöse Großzügigkeit.
Man fühlt im neuen, alten Haus die Klugheit und die Intentionen des Purin’schen Entwurfs, die Textur und Proportionen des Originals, kann aber dennoch den Wunsch der Bauleute nach Modernität und modernen Oberflächen nachvollziehen.
Die Kontraste wurden gemildert durch sanft grau getönte Wände und das lebendigere Dunkelbraun der Balken. Auch der subtile Blauton der Treppenwand zieht sich durchs Haus. Hervorragend integriert wurden neue Einbaumöbel in den Schlafräumen, die mit tiefmattem Schwarz sich ganz zurücknehmen und dem originalen Gleichklang aus Konstruktion, Proportion und Ausblick den Vortritt lassen. Das ist ein neuer Atem, ein neuer Saum, der eingezogen wurde. Ein Dialog zwischen Original und der Identität der Bauherren baut sich auf. Andere Revitalisierungen suchen mehr den Charme der Erbauungsjahre, doch die Ender’sche ist eine stimmige Variation, wie sie Hans Purin selbst in seinen eigenen Sanierungen praktizierte. Präzise am Original und zeitlos in seinen Aktualisierungen, denn seine besten Bauten waren oft gebaute Meditationen über die Frage: Was braucht es wirklich?
Es war Glück und Herausforderung zugleich, ein solches Architekturjuwel zu finden und sanieren zu können.
Die markante und sichtbare Holzkonstruktion blieb erhalten und wurde nur in einem Dunkelbraun lasiert. Mit den hellgrau getönten Wandflächen und dem neuen Industrieparkett ergeben sich weichere, zeitgemäßere Kontraste.
Am Eingang orientiert man sich sofort. Nach oben in das Wohngeschoß, nach unten zu den Schlafräumen. Die gemauerten Wände blieben unverputzt und wurden auch jetzt nur gemalt. Das ergibt die lebendige Struktur.
Die Küche ist neu und folgt mit mattgrauen Oberflächen der Ästhetik des Originals, bleibt aber erkennbar neu. Griffnuten und Sitzflächen sind in Eichenholz gehalten.
Die Einbauten im Schlafzimmer folgen derselben strengen Logik von Alt und Neu. Effizientes Detail: Das Betthaupt ist halbhoch und dient mit dem raumhohen Schrank dahinter als offener Schrankraum.
Das Bad ist elegant und geräumig. Ein Kunststück, das durch die Entfernung einer Trennwand gelang. Auch hier der neue Kunststein als funktionelle Oberfläche mit sanft belebter Struktur.
Der Blick von der Terrasse ist ganz nah am Original. Den originalen Farbton für die Markise gab es noch und für die Dachsanierung und Dämmung wurde die Fassade um genau ein Schalungsbrett erhöht.
Die Siedlung in steiler Hanglage folgt dem Prinzip gemauerter Wandscheiben mit eingehängter Holzkonstruktion. An der Vorderseite, nach Süden, sind die Wandscheiben verlängert und bergen einen schmalen Garten.
Der Zugang erfolgt von der Hangseite
Man betritt das Zwischenpodest und geht einen halben Treppenlauf nach oben zu Küche und Wohnraum, nach unten in das Schlafgeschoß. Das schmale Fensterband, unten, belichtet das Bad. Im untersten Geschoß gibt es zwei Kinderzimmer und Lagerflächen.