Grandiose Traumbilder für Fortgeschrittene

Was den großen Theatermacher Christoph Marthaler ausmacht, wird mit starker Crew in “King Size” gebündelt und weichgespült.
Bregenz Dass Vorarlberger Theaterfreunde mit Inszenierungen des Schweizers Christoph Marthaler in Berührung kamen, davon darf man ausgehen. Wenige Jahre nach dem Mauerfall stand “Murx den Europäer!”, die legendär gewordene Produktion, so lange auf dem Spielplan der Berliner Volksbühne, dass sich ein Einblick ausgegangen sein sollte, die Salzburger und die Bayreuther Festspiele engagierten ihn für Operninszenierungen. Die Bilder seiner Ausstatterin Anna Viebrock haben sich eingeprägt wie seine Personenführung, und eine Zeitlang leitete er ohnehin das Zürcher Schauspielhaus. In den letzten Jahren war er wieder als freier Regisseur unterwegs und setzte an der Staatsoper in München soeben “Lear” von Aribert Reimann mit Christian Gerhaher und wieder einer Viebrock-Bühne um.

“King Size”, jene Produktion, deren Aufführungstermine am Vorarlberger Landestheater mehrmals pandemiebedingt verschoben werden mussten, ist mittlerweile acht Jahre alt, tourte fast schon um die Welt und konnte für ein Bregenz-Gastspiel wohl deshalb gesichert werden, weil Intendantin Stephanie Gräve einst führend im Basler Produktionsteam tätig war. Das Engagement ist ein sehr guter Deal, schließlich bekommt man sozusagen in komprimierter Form das geliefert, was Marthalers Ästhetik ausmacht.
Über allem steht die Musik
Ist die Geschichte vorgegeben, so ist die Erzählung durchwoben von überraschenden Momenten und Überhöhungen, schreibt er sie mit, so weht das Absurde und Unschlüssige mitunter bis zu jenem Grad herein, an dem die Irritation in den Leerlauf zu kippen droht. Und über allem steht die Musik, wobei in einem Marthaler-Team nur exzellente Vokalisten reüssieren können. Schließlich ist der Regisseur ein hervorragender Musiker. Bei “King Size” stand ihm Bendix Dethleffsen bei, der auch auf der Bühne (dieses Mal von Duri Bischoff entworfen) steht.

Der Titel leitet sich von der Bettenqualifizierung ab. In einem Hotelzimmer der gehoben gediegenen Art treffen vier Personen aufeinander, die per Lied (von Barock bis Pop) kommunizieren. Nicht unbedingt miteinander, denn das grandios gemixte Crossover mit Mozart, Marthaler himself, Wagner, Schubert oder gar den Jackson 5 etc. untermalt Sehnsüchte im King-Size-Format und bereichert ein poetisches Clowntheater, das keinen Clown braucht, dafür aber so begeisternde Sänger und Schauspieler wie Tora Augestad, Michael von der Heide und Nikola Weisse. Wer Marthalers gesellschaftspolitischen Biss kennt, empfindet “King Size” als etwas weichgespült, übersieht angesichts der Stimmen aber gerne den Tenside-Zusatz. Viel Applaus.
Nächste Aufführung von “King Size” am 28. Juni, 20 Uhr, im Landestheater in Bregenz. Weitere Termine Ende Oktober und Ende November: landestheater.org