Filmische Leidenschaftund ein rosa Container

„Unser Wissen vermehrt sich, wenn wir es untereinander teilen und neu verknüpfen. Unsere Fähigkeiten wachsen, wenn wir sie in immer wieder neuen Zusammenhängen anwenden. Und eigentlich ist es genau das, was wir 20 Jahre lang gemacht haben: Wir haben als Team unsere Kompetenzen immer wieder geteilt, neu kombiniert und sind damit gewachsen.“
Heute zählt die Dornbirner Filmproduktionsfirma „Frl. Müller & Söhne“ zu den renommiertesten Vertretern ihrer Branche im Land. Offiziell unterstrichen hat das zuletzt der „Staatspreis Wirtschaftsfilm“, mit dem das Unternehmen Ende 2023 ausgezeichnet worden ist. Von Beginn an haben die beiden Firmengründer Martin Mühlburger und Thomas Fenkart auf ihre Fähigkeiten vertraut und die Talente des jeweils anderen als kongeniale Ergänzung hochleben lassen. Mit ihren mittlerweile 14 Mitarbeiter(inne)n haben sie diesen Ansatz weiter verfeinert: „Filmemachen ist generell keine One-Man-Show“, verdeutlicht Martin Mühlburger. „Es lebt vielmehr davon, unterschiedliche Talente für ein gemeinsames Ziel zu begeistern, für ein Ziel, das der jeweilige Kunde vorgibt. Als Geschäftsführer bemühen wir uns darum, unseren Mitarbeiter(inne)n die Möglichkeiten bereitzustellen, ihre jeweiligen Talente voll auszuschöpfen und gemeinsam etwas Neues zu erschaffen.“ Dieser Ansatz hat das Unternehmen weit getragen und es so flexibel gemacht, dass es sich auch in diesem sich extrem rasant wandelnden Metier immer wieder neu zu orientieren vermag.
Sich beim Nachdenken zuhören.
„Synergieeffekte“, fassen sie es rückblickend zusammen, „das war auch der Grund, wieso wir uns 2006 zusammengetan haben“. Vor ihrer Firmengründung waren beide getrennt voneinander bereits ein knappes Jahrzehnt selbstständig. Gekannt haben sie sich da aber schon längst und waren ständig im Austausch: „Und das vor allem nächtelang“, lacht Thomas. „Das waren interessante Stunden am Telefon, in denen wir uns gegenseitig einfach zugehört haben.“ Und Martin ergänzt: „Eigentlich haben wir uns nicht nur beim Reden zugehört, sondern auch beim Nachdenken.“ Es war und ist bis heute ein ständiger Austausch auf Augenhöhe mit einem Gegenüber, das jeweils völlig andere Talente, eine andere Expertise hat. Deshalb war auch die inhaltliche Aufteilung ihrer Geschäftsführung von vornherein klar: Thomas Fenkart, verantwortlich für den Bereich „Postproduktion“, ist der Visionär, der zukünftige Technologien regelrecht „erschnuppern“ kann: „Er hat die Hartnäckigkeit, sich in ein Thema einzulesen und immer tiefer zu gehen, bis er irgendwann ein Niveau erreicht hat, in das wir ihm alle nicht mehr folgen können. Oft klingt es so, als spräche er von einer anderen Welt“, erzählt sein Geschäftspartner bewundernd. „Aktuell ist KI so eine Welt. Thomas hat außerdem das Talent, in emotionalen Situationen gerade und ehrlich zu bleiben. Er ist der Ruhepol. Dass er dazu noch ein Zahlentalent hat, hat sich im Laufe der Jahre herauskristallisiert.“ Martin Mühlburger, Geschäftsführer für den Bereich „Kreation“, nimmt den kreativen Part ein: „Er hat diese Fähigkeit, Neues zu erschaffen. Manchmal ist es schwierig, mit seinen Gedanken Schritt zu halten. Aber damit schafft er es, dass aus einer Geschichte, die zuerst gar keine ist, eine wird. Und das ist eine unglaublich wichtige Gabe in unserem Job. Die haben nur sehr, sehr wenige Menschen, die ich kenne, in dieser Ausprägung. Außerdem ist Martin sehr feinfühlig, was dabei hilft, Stimmungen aufzunehmen. Das hilft uns nicht nur im Job, das macht ihn vor allem zu einem wunderbaren Menschen.“
Dass diese Partnerschaft bis heute so gut funktioniert, führen die beiden nicht nur auf die gegenseitige Wertschätzung zurück, sondern auch darauf, dass sie einander eine ehrliche Reflexions- und Projektionsfläche geblieben sind: „Und es kommt auch heute noch vor, dass wir um 3.00 Uhr nachts miteinander telefonieren, wenn einer das Gefühl hat, dass er dringend gehört werden muss.“ Dass diese Art des Arbeitslebens ohne Familienrückhalt nicht möglich wäre, dessen sind sich die beiden Familienväter bewusst: „Wir hätten weder den Kopf frei, noch Zeit dafür. Unsere Familien wissen das, Sie sind mit uns mitgewachsen, haben von Beginn an Freude und Schmerz mit uns geteilt. Die Frage, ob sie mitgemacht hätten, wenn sie wüssten, wie es wird, stellen wir lieber nicht… Wir sind einfach dankbar.“

Neue Ideen in altehrwürdigem Tarnkleid.
Der Firmenname stammt noch aus Martins Studentenzeiten auf der Filmakademie: „Da las ich auf einem Container Frau Meier und Sohn. Das hat mir gefallen, weil der Container rosarot war – für eine Erdbewegungsfirma eine markante Farbe und Stoff für Geschichten“, schmunzelt er. Auch Frl. Müller und Söhne lässt viel Spielraum für Fantasie, was gerade in den Anfangsjahren gute Dienste geleistet hat: „Viele Kunden haben in den Namen eine lange Familiengeschichte interpretiert. Sie sind davon ausgegangenen, Frl. Müller wäre die betagte Geschäftsführerin, deren Söhne übernommen hätten. Es klang wie etwas Junges und gleichzeitig Altehrwürdiges. Etwas Modernes auf Basis von Tradition.“
Diese Kombination spiegelt sich im heutigen Firmensitz wider: In einer der – tatsächlich! – altehrwürdigen Hallen des einstigen Fabrikgeländes Dornbirn-Steinebach sind „Frl. Müller & Söhne“ zu Hause. Die liebevoll adaptierten Räumlichkeiten aus dem 19. Jahrhundert beherbergen modernstes Schnitt- und Produktionsequipment. Überhaupt nähert sich die damals noch fiktive Geschichte aus Tradition und Neuem der Realität an: Das Team ist auf soliden Beinen gewachsen, hat sich selbst eine Vergangenheit erschaffen und dabei viele, auch technische Neuerungen nicht nur miterlebt, sondern teils selbst weiterentwickelt.
Branche der Mutmaßungen. „Frl. Müller & Söhne“ ist kein klassischer Dienstleister im ausschließlich technisch-handwerklichen Bereich. Das wäre im Filmsektor generell, und im Metier „Wirtschaftsfilm“ im Speziellen, zu wenig weit gedacht. Die Kunst ist es, die Auftraggeber abzuholen und gemeinsam aus vagen Vorstellungen eine konkrete Botschaft via Film zu kreieren. Da ist Hintergrundwissen gefragt, umfangreiche Vorgespräche, sorgfältige Recherche, die in die Tiefe geht: „Wenn man nur an der Oberfläche kratzt, geht das nicht“, betont Martin Mühlburger.
Das Team arbeite in einer „Branche der Mutmaßungen“, wie die beiden Geschäftsführer es nennen: „Wie ein fertiger Film schlussendlich funktioniert und beim Publikum ankommt, liegt nicht zu 100 Prozent in unserer Hand.“ Aber gute Vorarbeit, Erfahrung und Gespür für den jeweiligen Zeitgeist lassen zumindest realistische Prognosen zu. „Ständige Neugier ist daher eine Grundvoraussetzung, um am Markt bestehen zu können. Und die ist bis heute nicht abgeflaut.“ Daher haben sie auch keine Angst vor neuen Entwicklungen, auch wenn sie mitunter sehr schnell passieren. Im Gegenteil. 2016 hat sich ein weiteres Firmenstandbein entwickelt: Die Crew besteht nicht nur aus Filmemacher(inne)n, sondern auch aus Spezialist(inn)en im Bereich Software und Design-Thinking. In der rasanten Weiterentwicklung von KI sieht das Team eine spannende Herausforderung mit viel Potenzial.
„Das Schlimmste in unserer Branche ist, wenn man nicht mit der Zeit geht, wenn man nicht rundum schaut, ständig wie eine Eule um 180 Grad den Kopf drehen kann. Man muss die Zukunft selbst mitgestalten. Schlecht ist es, wenn die Zukunft dich gestaltet“, ist Thomas Fenkart überzeugt. Und Martin Mühlburger ergänzt: „Es gibt dabei natürlich nicht nur richtige, sondern auch falsche Wege. Wir wissen es im Vorhinein nicht. Vielleicht müssen wir hin und wieder auch umdrehen, ein kurzes Stück zurücklaufen. Aber stehenzubleiben, das war für uns nie eine Option.“
Text: Angelika Schwarz
Fotos: Frl. Müller & Söhne