Das stilsichere Auftreten eines Briten

Kultur / 06.05.2016 • 18:32 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Hazem IlmiDie 33. Hochzeit der Donia Nour265 SeitenBlumenbar

Hazem Ilmi

Die 33. Hochzeit der Donia Nour

265 Seiten

Blumenbar

Kritische Stimmen
sind im Nahen Osten selten willkommen, auch nicht fiktiv.

Romane. Hazem Ilmi ist ägyptischer Neurowissenschaftler. Er musste bei Erscheinen seines Science-Fiction-Romans „Die 33. Hochzeit der Donia Nour“ seine Heimat verlassen, so viel Staub wirbelte das Buch auf. Warum aber die Aufregung?

Konsum und Diktatur

„Die 33. Hochzeit der Donia Nour“ spielt in der nahen Zukunft. Ägypten verwandelte sich darin zu einem Polizeistaat, das Gesetz ist die Neo-Scharia. Das reiche Ägypten liegt am Mittelmeer und gegen Süden hin verlaufen die ärmeren Teile. Naturgemäß wollen die armen Menschen aus dem Süden in den Norden, und die Kühnsten wollen mit einem Schiff Ägypten verlassen, um nach Europa zu fliehen. Dies wiederum will der Norden verhindern und dafür sorgt ein Polizeistaat. Das Internet hält fest, wie oft die Ägypter beten, sowie ihre Gedanken und Handlungen. Der Güterkonsum ist übrigens radikal erwünscht. Gehirnmanipulationen, Sittenwächter und Flugroboter schauen, dass alles so bleibt, wie es ist.

Die Geschichte selbst ist wie ein Märchen aufgebaut. Ein Gelehrter wird von Außerirdischen entführt und durch diverse Zeitsprünge kommt er in der Zukunft an. Ziel sollte sein, Ägypten aus der Tyrannei zu befreien. Helfen sollte ihm dabei die wunderschöne Donia Nour. Diese wiederum befindet sich in einer ziemlich prekären Lage: Sie lässt sich für Kurzhochzeiten, eine Art Prostitution, engagieren, um die nötige Menge an Gold für eine Flucht zu sparen.

Im Grunde ist der Roman sehr unterhaltsam und tatsächlich bekommt der religiös orientierte Polizeistaat auch sein Fett ab. Mitunter zeigt er auch die westliche Welt als korrupt, die mit dem Polizeistaat Geschäfte macht. Wahrscheinlich funktioniert das erdachte System, wie so oft in SF-Romanen, einen Deut zu glatt, aber das ist Geschmackssache. Ärgerlich ist, dass sogar in einem „aufgeklärten“ Roman aus dem Nahen Osten die Frau als naiv dargestellt wird.

Nüchterne Klarheit

Graham Swift ist einer der überragenden Erzähler Großbritanniens. Mit seiner Kurzgeschichtensammlung „England und andere Stories“ legt er ein feingliedriges Netz erstaunlicher Geschichten über seine Heimat. Fernab von nationalistischem Gehabe zeigt er Hoffnung, Leid und große Gefühle. Der Autor nimmt Alltagsszenen zum Ausgangspunkt seiner Geschichten: Einmal geht es um zwei Freunde, die sich nicht nur in sportlichen Belangen auseinanderleben, ein anderes Mal sucht ein dunkelhäutiger Mann in gebrochenem Englisch verzweifelt den Weg zur Küste.

In der Story „Ajax“ rückt ein Außenseiter, der durch Gerüchte aus einem Ort vertrieben wird, in den Mittelpunkt. Oft wird der Autor gerade im deutschsprachigen Raum missverstanden: Graham Swift versäumt die Pointen nicht, er ist auf keine offensichtlichen Höhepunkte aus. Er vermeidet Oberflächlichkeit, zwischen den Zeilen lesen zu können, zahlt sich aus, und klar, mit Sätzen der Erkenntnis spart der Autor ebenso wenig. Graham Swift ist der Verfasser von kleinen Lebensschicksalen, die er durch seine ganz besondere Beleuchtung in ein schillerndes Licht rückt, ohne dabei zu sehr auf die Tube zu drücken – leise Töne erzeugen große Momente.

Graham SwiftEngland und andere Stories392 Seitendtv

Graham Swift

England und andere Stories

392 Seiten

dtv

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