Intensiv, fragmentarisch und sehr poetisch

Im milk_ressort sind Arbeiten aus dem Nachlass der Malerin und Schriftstellerin Gesine Probst zu sehen.
GÖFIS. (VN-ag) Ein Körper in Rückenansicht, von einer Hand berührt. Zwei Umrisse, zwei Farben, nichts weiter. Kann man eine Berührung schlichter und zugleich eindringlicher darstellen? Das Blatt stammt von Gesine Probst und ist zusammen mit anderen Werken aus dem Nachlass der Künstlerin in Göfis zu sehen.
Grenzgängerin
Mit der Malerin und Schriftstellerin Gesine Probst (1944 – 1994) holt Künstlerkurator Harald Gfader wieder einmal eine Ausnahmeerscheinung, deren Leuchten die heimische Kunstszene nur kurz erhellt hat bzw. fast in Vergessenheit geraten ist, in sein milk_ressort. Geboren in Weimar, aufgewachsen in Frankfurt, studierte Gesine Probst Kostümbildnerei in Berlin und anschließend Malerei in Wien (1967 – 1971). 1968 heiratet sie den Hörbranzer Maler Richard Bösch und zieht nach Vorarlberg. 1978/79 beginnt sie literarisch zu arbeiten, erhält 1981 das österreichische Staatsstipendium für Literatur. Mit der Übersiedlung nach München 1989 erfolgt ein Neubeginn in der Malerei und Zeichnung. Bis zum Freitod der Künstlerin 1994 erfolgen aber auch Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, und es entstehen zahlreiche Hörspiele. Dieses bereichernde Zusammengehen und die Schnittebenen von Malerei, Zeichnung und Sprache machen für Harald Gfader den besonderen Reiz dieses einzigartigen Oeuvres aus, dessen Aufarbeitung noch aussteht.
Mehr als eine Doppelbegabung, vielmehr eine Grenzgängerin zwischen den Disziplinen, zwischen Leben, Sprache und Bild, sagte Gesine Probst einmal „ . . . Schreiben bedeutet, das Talent wegschmeißen . . . “. Und während ihr die Malerei als ein eigenes Sprachreich erscheint, ortet sie in der Zeichnung viel Nähe zum Schreiben. Wie direkt und auf Anhieb ihre zeichnerischen Arbeiten wirken, lässt sich anhand der Ausstellung in der Göfner Miniaturkunsthalle gut nachvollziehen.
Verletzlichkeit und Verletzung
Aus dem umfangreichen bildnerischen und literarischen Nachlass schöpfend, sind die meisten der Zeichnungen und Mischtechniken das erste Mal überhaupt ausgestellt. Reduziert auf das Wesentliche, auf einen Körper oder Körperteile wie Kopf oder Füße, auf eine Geste, findet die Künstlerin zu ihrer ureigensten, poetischen Bildsprache, die sowohl Raum für Figuratives als auch Abstraktes lässt. Verletzlichkeit und Verletzungen, Abspaltung und Trennung sind die großen Themen, an denen sich Gesine Probst abarbeitet. Die Titel, die manchmal in den Werken selbst aufscheinen, bieten Hilfestellung, aber auch ohne diese „Anleitung“ ist die Schwere und Tiefe der Auseinandersetzung fast körperlich spürbar. Ebenso wie der Hintersinn einem manchmal ein Schmunzeln entlockt. Daneben existieren aber auch narrative Szenen, und alles scheint fragmentarisch, dann wieder zusammengefügt, nur eine Frage der Balance – auch wenn gewichtige Inhalte so federleicht, um die Linie kämpfend, aber mit einem Strich gezogen und aufs Blatt gesetzt, daherkommen.
Ergänzt werden die bildnerischen Arbeiten um zwei Manuskriptseiten, die lange vor der Textverarbeitung am Computer, die ein makelloses Bild hinterlässt, entstanden sind. Mit der Schreibmaschine geschrieben, geklebt, ausgebessert, überarbeitet und überlagert, Worte und Gedanken, beweisen sie das Ringen um den Ausdruck, der sich in der Zeichnung ungleich leichter, ohne Korrektur, niederzuschlagen scheint. „Du hast eine unendliche Auswahl an Welten, um darin zu leben“, zitiert Gesine Probst auf einem Blatt den amerikanischen Autor Thaddeus Golas. In einigen Welten war sie zumindest künstlerisch zu Hause.

Die Ausstellung ist im milk_ressort, Agasella 8 in Göfis, bis 17. Juli geöffnet, So, 14 bis 17 Uhr, sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 0664 5141286.
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