Diese Begegnung mit Größen wie Bachmann, Frisch und Celan dürfte auch die jüngere Generation ansprechen.

Kultur / 22.03.2019 • 23:30 Uhr
Die Premiere von "Die collagierte Zeit" stieß am Freitagabend am Bregenzer Kornmarkt auf viel Zustimmung beim Publikum. LT/Köhler
Die Premiere von “Die collagierte Zeit” stieß am Freitagabend am Bregenzer Kornmarkt auf viel Zustimmung beim Publikum. LT/Köhler

Auch eine Fahrt auf den Pfänder gehört zur neuen Landestheaterproduktion “Die collagierte Zeit”.

Bregenz Es muss saukalt gewesen sein, als eine der kleinen, eingeblendeten Filmszenen am Bodensee aufgenommen wurde, in der einer der Männer gut verpackt ist, während der andere gerade noch eine Badehose trägt und ins Wasser steigt. Wer mit dem deutschen Regisseur und Dramaturgen Simon Meienreis (geb. 1986) arbeitet, der darf nicht zimperlich sein, muss Kondition haben und auf jedes Wort achten. Selbiges verlangt er auch vom Publikum. Jenes, das am Freitagabend bei der Premiere der neuen Produktion des Vorarlberger Landestheaters am Bregenzer Kornmarkt anwesend war, verhielt sich entsprechend: “Die collagierte Zeit”, eine Auseinandersetzung mit den Werken und den sich verzahnenden Biografien von Ingeborg Bachmann (1926-1973), Paul Celan (1920-1970) und Max Frisch (1911-1991), für die Texte und Briefe der Schriftstellergrößen der Nachkriegszeit zusammengefügt wurden, ist hörbar gut aufgenommen worden.

Erinnerungskultur

Dabei ist nicht einmal zu sagen, dass der Erkenntnisgewinn für jene, denen einige Werke der drei Schriftsteller geläufig sind, sehr groß wäre. Meienreis, der für die Fassung des Stücks sowie für die Inszenierung zuständig ist, adressierte sein Anliegen zudem nicht konkret an die jüngere Generation, für deren Vertreter die drei Namen nicht so selbstverständlich zum Kanon der Literatur zählen wie für jene Österreicher, deren Reifeprüfung vor der letzten Jahrtausendwende erfolgte. Mit ein wenig Kostümmummenschanz, Texteinblendungen, Filmprojektionen, Live-Drehs (die man allerdings nur einsetzen sollte, wenn man das wenigstens annähernd so gut kann wie das Team von Frank Castorf) und einer regionalen Verankerung, die bis hin zur Fahrt mit der Pfänderbahn reicht, dürfte er aber das schulische Klientel eines Landestheaters ansprechen. Auch das ist Aufgabe dieser Institution.

Ob man den Dialekt in der Interviewpassage mit Max Frisch goutiert, oder den Tonfall beim berühmten Bachmann-Zitat “Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar”, ist subjektiv, man erwischt sich als Zuhörer beim Zuordnen von “Gantenbein”, “Ein Spiel”, “Wildermuth”, “Mohn und Gedächtnis”, “Malina” etc. und ist angetan von der Tatsache, dass Meienreis keine Behauptungen aufstellt, sondern mit Schriftstellern, Intellektuellen oder eben Individuen konfrontiert, denen Sprache ein großes Anliegen ist. Weil sie vieles prägt, nicht nur die Erinnerungskultur nach Auschwitz, von der nicht nur diese drei Schriftsteller im Besonderen betroffen sind, sondern wir alle. Die Präsenz von Manfred Böll, Johanna Köster, Tobias Krüger und Nico Raschner variiert, aber sie schafft Bilder, die länger im Kopf bleiben als die Frage, warum Ausstatterin Mirella Oestreicher wohl die Jugendstil-Fassade eines Optikers in München auf die Bühne stellt.

Weitere Aufführungen vom 26. März bis 12. Mai am Bregenzer Kornmarkt. Publikumsgespräch nach der Aufführung am 24. April: www.landestheater.org