Bei den Bregenzer Festspielen wurde aus der Not eine Tugend gemacht

Kultur / 29.07.2019 • 16:00 Uhr
 Die Mezzosopranistin Aytaj Shikhalizada aus Aserbaidschan überzeugte bei „Musik & Poesie“.  BF/Köhler
Die Mezzosopranistin Aytaj Shikhalizada aus Aserbaidschan überzeugte bei „Musik & Poesie“. BF/Köhler

Nach einer Absage konnte „Musik & Poesie“ nur mit Improvisation gerettet werden.

BREGENZ Die Bregenzer Festspiele sind bekannt für die penible Vorbereitung ihrer Projekte. Wenn es sein muss, steckt in den Verantwortlichen aber auch eine gehörige Portion an Improvisationstalent. Operndirektorin Susanne Schmidt und ihr Fast-Namensvetter, der Dramaturg Olaf A. Schmitt, haben das am Sonntag im wieder voll besetzten Seestudio bei „Musik & Poesie“ bewiesen, das durch die Absage eines der beiden Hauptprotagonisten zu scheitern drohte. Dem Tenor Sergey Romanovsky, einem der drei „Herzöge“ am See, hatte es beim windigen „Rigoletto“ am Freitag am See die Stimme verblasen.

Ein starker Teamgeist und der gemeinsame Wille zum Durchhalten retteten das als „Russischer Salon“ angekündigte Projekt und machten mit einem innerhalb von 24 Stunden geänderten Programm zugleich aus der Not eine Tugend. Denn so lernte das interessierte Publikum aus dem Team der Tschaikowksy-Oper „Eugen Onegin“, die derzeit am Opernstudio mit jungen Kräften vorbereitet wird und in die mit dieser Veranstaltung eingeführt werden sollte, nicht nur die vorgesehene Darstellerin der Olga kennen, sondern noch zwei weitere Sänger aus dieser Besetzung. Das ergab, ohne der Premierenkritik vorgreifen zu wollen, allein musikalisch einen umwerfenden Eindruck ausdrucksstarker, großer Stimmen, die sich gerade auch im heiklen sprachlichen Bereich der russischen Oper offenbar absolut wohlfühlten.

Olaf A. Schmitt führte mit deutsch übersetzten Auszügen aus Alexander Puschkins Versroman, wie er der Oper zugrunde liegt, in die melancholisch versponnene, tragische Liebesgeschichte ein. Mit seiner unaufgesetzten Erzählweise verfügt er über viele kleine Andeutungen, Nachdenkpausen und Dynamik, um beim Publikum auch ohne Pathos Spannung zu erzeugen. Puschkins blumig ausgeschmückte Schilderungen des Umfeldes und Charakterisierung der Personen kamen so in einer heutigen, erhellenden Weise, ohne verklärende Nostalgie, zur Wirkung.

Gewaltige Höhenflüge

Das geänderte Musikprogramm dazu enthielt neben Arien aus den beiden Tschaikowsky-Opern „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“ auch Musik nach Puschkin von Zeitgenossen dieses Komponisten, die ihm in der Melancholie, ihrer Tonsprache, der Dichte und Vielfalt der harmonischen und melodischen Erfindung nahestanden.

Den Löwenanteil am musikalischen Programm, das untadelig von der polnischen Pianistin Ania Marchwinska begleitet wurde, hatte die im Programm vorgesehene junge Mezzosopranistin Aytaj Shikhalizada aus Aserbaidschan („Olga“). Mit ihrer sinnlich gurrenden Stimme, geheimnisvoll abgedunkelt und zu gewaltigen Höhenflügen mächtig, überraschte sie mit gefühlsintensiven Liedern und Arien von Glinka, Rubinstein, Werstowski und Rachmaninow sowie dem bekannten russischen „Stenka rasin“. Überraschend der forsche, stimmkräftige Auftritt des Tiroler Tenors David Kerber mit seiner Arie als „Triquet“ aus „Onegin“ und das verliebte Duett mit Shikhalizada und dem russischen Volkslied „Ochi chyornye“ („Schwarze Augen“). Zuvor hatte Ljuba Sokolova, die die Filipjewna singt, als vornehme Bühnenerscheinung mit der Arie der Fürstin aus „Pique Dame“ für verhalten berührende Momente gesorgt. Außerdem sprang aus dem „Rigoletto“-Team noch „Sparafucile“ Miklós Schebestyén aus Ungarn mit seinem eindrucksvollen Bass-Bariton und der Arie des Gremin aus „Onegin“ ein. Das alles hat beim Publikum sicher ordentlich Lust gemacht auf einen spannenden „Eugen Onegin“. Fritz Jurmann