Die dunkle Seite des Lichts

Kultur / 27.10.2019 • 11:00 Uhr
Die dunkle Seite des Lichts
Arbeit von Siegrun Appelt am deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale von Venedig. SIEGRUN APPELT

Siegrun Appelt ist mit ihrem Projekt “Langsames Licht/Slow Light” im Theater am Saumarkt.

FELDKIRCH Slow Food oder Slow Travel kennt man ja schon. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Medienkünstlerin Siegrun Appelt mit ihrem Konzept “Langsames Licht/Slow Light”, das auf einen energieeffizienten und ästhetisch nachhaltigen Umgang mit Licht und Dunkelheit abzielt. In der gleichnamigen, kleinen, sehr feinen Ausstellung zeigt die in Wien lebende Vorarlbergerin im Theater am Saumarkt Werkausschnitte aus diesem Langzeitprojekt.

Licht ist eine, wenn nicht die fundamentale Voraussetzung für unsere Wahrnehmung. Für Siegrun Appelt, die ihre künstlerische Tätigkeit mit Fotografie und Videoarbeiten begonnen hat, war Licht naturgemäß immer schon wesentlicher Bestandteil und eine unabdingbare Konstante im Schaffen. In den letzten Jahren haben die Künstlerin parallel zur Entwicklung neuer Technologien in der Lichtindustrie Fragestellungen zum Thema Licht und Beleuchtung sowie Aspekte der Wahrnehmung von Hell und Dunkel, Licht und Schatten, intensiv beschäftigt. In Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Museum moderner Kunst in Wien oder dem Kunsthaus Bregenz hat Siegrun Appelt zahlreiche Projekte und Lichtinstallationen realisiert, die auf einen bewussteren Umgang mit der künstlichen Helligkeit fokussiert haben. Bereits 2005, als sie das KUB in eine 288 KW starke Lichtskulptur verwandelte, wurde die gleiche Energiemenge zur gleichen Zeit durch Abschalten von Beleuchtungen an anderen Orten im Land eingespart. Im deutschen Pavillon der Architekturbiennale von Venedig 2008 hat sie das Licht vierfach stärker als die Sonne im Eingangsbereich gebündelt und damit gleissende Helligkeit und Wärme körperlich spürbar gemacht, gekoppelt an den Aufruf, Energie einzusparen und symbolisch zu spenden.

Lichtverschmutzung

Lichtglocken über der Stadt, die die Nacht zum Tag machen, Stichwort Lichtverschmutzung: Das Nachdenken über die Reizüberflutung und die dunkle Seite das Lichts haben Siegrun Appelt zu “Langsames Licht/Slow Light” inspiriert. In engem Austausch mit unterschiedlichsten Spezialisten, in Zusammenarbeit mit heimischen Leuchtmittelproduzenten und an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Forschung, überträgt sie künstlerisch-ästhetische Konzepte in praxisorientierte Beleuchtungsstrategien. Die bislang umfangreichste Arbeit, die Siegrun Appelt im Rahmen von Slow Light realisiert hat, war das Lichtprojekt für die Weltkulturerbe-Region Wachau 2005 bis 2010, für das sie mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich in der Sparte Architektur ausgezeichnet wurde. Die kleinformatigen Fotografien, die als Nachtaufnahmen der künstlerischen Eingriffe in der Ausstellung in Feldkirch zu sehen sind, fordern das Auge heraus. Erst langsam erkennt man im Dunkel des Bildes die Kontur eines Hügels, der sich gegen den Nachthimmel abzeichnet, oder die im Lichtkegel eines Autoscheinwerfers beleuchtete und nur für einen Moment sichtbar gemachte Umgebung. Subtil, mit der ihr ganz eigenen Sensibilität, geht die Künstlerin vor. Jenseits spektakulärer Inszenierungen und marktschreierischer Lichtshows, in denen Helligkeit und Farben manipulativ verwendet werden, akzentuieren ihre äußerst präzisen (Licht-)Setzungen architektonische Besonderheiten wie eine Turmspitze oder Mauerstrukturen und schaffen Raum. Ökonomisch, energieeffizient, umweltschonend, kritisch, nachhaltig, den Jahreszeiten und dem natürlichen Rhythmus von Tag und Nacht angepasst, sodass künstlerischer Mehrwert und Energieeinsparungen eine perfekte Symbiose eingehen. Ariane Grabher

Die Ausstellung ist im Theater am Saumarkt, Mühletorplatz 1, Feldkirch, bis Ende Dezember, jeweils während der Veranstaltungen geöffnet.