Die Welt in Streifen
Die Erinnerung reicht weit zurück. Zu einem Besuch in Weinsteig in Niederösterreich, der Heimat seiner Frau Eva, wo ich mit einem Freund vor etwa fünfzig Jahren zu Besuch war. Dann zu verschiedenen Treffen im Umfeld der Bregenzer Randspiele, in deren Rahmen er seine Kistenmenschen – der Mensch umfassend, von vorne, von hinten, von der einen und von der anderen Seite – im Deuringschlößle zeigte. Schließlich schweifen die Gedanken nach Andalusien, nach Ronda, wo er wesentliche Zeiten seines Lebens gelebt und gearbeitet hat, wo wir öfter zu Besuch waren und er vor allem seine Streifenbilder entwickelt hat. Und schließlich die Erinnerung an große Ausstellungen, die letzte 2013 – zu seinem 80. Geburtstag – im Bregenzer Künstlerhaus bei der Berufsvereinigung, deren Mitglied er über lange Zeit war. Dann kommt auch noch ein fast privater Gedanke an Treffen in seinem Atelier am Pfänder über Bregenz, in denen ich ihm Modell sitzen durfte. Viele gute Zeiten, viele kritische Gespräche über Kunst und die Welt, die ich und viele Freunde mit Heinz Greissing erleben durften. Nun ist er am Donnerstag im Krankenhaus in Bregenz verstorben.
„In erster Linie aber war Heinz Greissing ein Maler, ein begeisterter, geradezu besessener Maler. Er war ein Meister seines Fachs.“
In diesem Haus geschah vor zwei Jahren ein kleines Wunder: Die vielgerühmte, 1974 von Architekt Karl Sillaber und Heinz Greissing entworfene Kapelle im damaligen Stadtspital Bregenz wurde im Zuge des Neubaus des inzwischen zum Landeskrankenhaus mutieren Gebäudes mit hohem Aufwand von Grund auf originalgetreu renoviert. Nun zeigt sich der Andachtsraum, der ein besonders gelungenes Beispiel im Zusammenwirken von Architektur und Kunst darstellt, wieder so großartig wie vor fast einem halben Jahrhundert.
In erster Linie aber war Heinz Greissing ein Maler, ein begeisterter, geradezu besessener Maler. „Man muss jeden Tag malen, sonst wird das nichts“, meinte er einmal. Und das tat er, jeden Tag, meist vor der Natur. In Ronda in Spanien, in Weinsteig in Niederösterreich und am Pfänder über Bregenz. Da hatte er seine Ateliers, wobei Ronda ab den siebziger Jahren besonders wichtig wurde. Hier entstanden seine großartigen Landschaftsbilder, hier entwickelte er seine „Streifenbilder“, in denen er die Sicht vor sich ebenso wie die hinter sich in Streifen auflöste. Er wollte eine Art Rundumbild schaffen, so wie er das schon Anfang der siebziger Jahre mit seinen Kistenmenschen versuchte. Alles wollte er in ein Bild bringen. Und er schaffte das. Kurz: Er war ein Meister seines Fachs, ein großer Maler. Und nun ein großer Verlust für die Kunst in Vorarlberg. Ich trauere um einen großen Künstler und einen Freund.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
Kommentar