Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Festspiele ohne Spiele

Kultur / 22.05.2020 • 19:01 Uhr

Seit vergangenem Wochenende dürfen die Museen und Galerien in Österreich wieder geöffnet halten. Und die meisten, vor allem die privaten, nutzen das auch schon. Die ganz Großen brauchen offensichtlich etwas länger. So werden beispielsweise die Albertina oder auch das Kunsthistorische Museum in Wien ihre Pforten erst nächstes Wochenende wieder öffnen. In Vorarlberg aber brauchen die vom Land finanzierten noch etwas mehr Zeit, um sich vom Corona-Schock zu erholen: Das vorarlberg museum empfängt ab 4. Juni und das Kunsthaus Bregenz ab 5. Juni wieder Besucher, allerdings beide Häuser nur von Donnerstag bis Sonntag. Das Kunsthistorische in Wien aber hat beispielsweise über den ganzen Sommer keinen Schließtag, hat täglich geöffnet, um die Jahresbilanz vielleicht mit ein paar Besuchern noch aufzubessern.

Allerdings: Gegen die Bregenzer Festspiele erweisen sich die beiden großen Kunsthäuser des Landes geradezu ehrgeizig. Denn die Festspiele haben ihr gesamtes Programm für dieses Jahr ganz einfach abgesagt – man kann die Karten, vor allem für die Seeaufführung von „Rigoletto“ und die Oper im Festspielhaus, „Nero“, auf das nächste Jahr umtauschen. Weitere Hinweise für ein Ersatzprogramm kann man dem Internetauftritt der Festspiele nicht entnehmen.

Da muss man sich jetzt doch einmal zuerst die Augen reiben, um das zu glauben. Der größte Kulturbetrieb des Landes mit ziemlich vielen fest angestellten (kreativen?) Mitarbeitern verzichtet vollkommen auf ein Kulturprogramm im Sommer? Und das, weil man am See und im großen Haus nicht spielen kann? Vielleicht sollte jemand den Verantwortlichen bei den Festspielen sagen, dass es in der Kultur mehr gibt als Oper. Vielleicht auch noch, dass es derzeit im Lad hunderte Künstlerinnen und Kulturschaffende gibt, die auf Aufträge dringend warten. Warum kommt am Bregenzer Seeufer niemand auf die Idee, ein völlig anderes, neues Programm zu machen, warum will niemand Bregenz und das ganze Land mit kleineren, wertvollen Kulturveranstaltungen geradezu überschwemmen? Warum will uns niemand von den Festspielen zeigen, dass wir, die Menschen dieses Landes, auch gut genug für kulturelle Ideen und Inhalte sind? Kein Tag dürfte in diesem Sommer vergehen, an dem die Festspiele nicht irgendwo irgendein besonderes Angebot bringen. Wenn sie das nicht schaffen, vor allem: wenn sie das nicht wollen, dann hat man im Festspielhaus bisher wohl etwas missverstanden. Und dann müsste man sich die öffentlichen Gelder in beträchtlicher Höhe an dieses Festival auch neu überlegen.

„Warum will uns niemand von den Festspielen zeigen, dass wir, die Menschen dieses Landes, auch gut genug für kulturelle Ideen und Inhalte sind?“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.