Ein Ruderboot wirbelt unsere Sehgewohnheiten durcheinander

Kultur / 08.07.2020 • 20:56 Uhr
Bildhauer Roman Pfeffer hat den Ruder-Achter, mit dem die österreichische Nationalmannschaft bei der Olympiade 1972 den zwölften Platz belegte, zerlegt. AG
Bildhauer Roman Pfeffer hat den Ruder-Achter, mit dem die österreichische Nationalmannschaft bei der Olympiade 1972 den zwölften Platz belegte, zerlegt. AG

Bildhauer Roman Pfeffer wird im Bildraum Bodensee auch zum Philosophen.

BREGENZ Das Ungetüm, das sich da eingeschlichen hat, sich auf dem Boden schlängelt und dessen Schweif im nächsten Raum verschwindet, gehört eigentlich ins Wasser. Gemeint ist ein hölzernes Ruderboot, das vom österreichischen Bildhauer Roman Pfeffer zerstückelt, verdreht, wieder zusammengesetzt wurde und jetzt das mächtige, spiralförmige Kernstück der Ausstellung im Bildraum Bodensee bildet. Es sind die Dinge, die schon da sind, die uns umgeben, die wir benützen, die wir kennen, die Größen und physikalische Gesetze vorgeben, Referenzsystem bilden – ein Maßband, eine Wasserwaage, Bilder aus der Kunstgeschichte. Oder eben ein Ruderboot, das nicht nur das konzeptionelle Denken von Roman Pfeffer in Fahrt kommen lässt, sondern auch unsere Sehgewohnheiten gehörig durcheinanderwirbelt. Vor allem, wenn der Künstler das 17 Meter lange Teil aus Zedernholz, das mit rund 70 Kilogramm ungefähr dem Körpergewicht Pfeffers entspricht, mittels Spezialvorrichtung als „Brain Twister“ wie einen Propeller auf dem Kopf balanciert und im Wind rotieren lässt. Wie geht das? fragt man sich trotz fotografischer Dokumentation dieser Übung auf dem Rasen im Wiener Prater.

Ohne Tricks, versichert der Künstler, der mit seinen poetisch-subtilen Aktionen immer auch Philosoph ist, wenn er das, was wir sicher und objektiv über die Welt zu wissen glauben, in Frage stellt. In einem zweiten Schritt hat der Bildhauer den Ruder-Achter, mit dem die österreichische Nationalmannschaft bei der Olympiade 1972 den zwölften Platz belegte, in 16 Teile zerlegt und die einzelnen Segmente versetzt und als „Helix Simulator“ zur langgestreckten Spirale, die wie ein Stachel in den Bildraum-Raum ragt, wieder zusammengebaut.

Geometrie und Geschwindigkeit

Am Boot haben ihn, neben dessen simplen bereits-vorhanden-Sein, zunächst einmal die skulpturale Form und die ausgefeilte Architektur als Geometrie der Geschwindigkeit fasziniert. Die Teilung ergibt sich aus der Arbeit am Thema „Mazzocchio“, mit dem sich Roman Pfeffer bereits seit einigen Jahren abarbeitet. „Mazzocchio“ bezeichnet eine ursprünglich aus einem Tragering entwickelte Kopfbedeckung, anhand der der Maler Paolo Uccello in der italienischen Frührenaissance die Perspektive erforschte. Das 16-teilige und im Querschnitt achteckige mathematische Objekt bildet als mit Maßbändern in Inch und Metern beplankter Ring „Mazzocchio measured“ so etwas wie den Code zur 32-teiligen Arbeit „Swip“, die der Ausstellung den Titel gegeben hat. Lapidar mit Wischen übersetzt, hat Roman Pfeffer jede zweite Bildtafel gedreht und dadurch eine neue Ordnung geschaffen, die nach gängigen Vorstellungen eher eine Unordnung ist, denn das Bild des Rings entzieht sich der visuellen Lesbarkeit entzieht.

Wer Ordnung braucht, ist angehalten, sein räumliches Vorstellungsvermögen zu aktivieren und das „Bild“ vom Ring vor seinem geistigen Auge wieder zu komplettieren. Segmentieren, dekonstruieren und die Möglichkeiten aus den immer gleichen Elementen immer neue Gebilde zu schaffen, oder ein Längenmaß in einer aberwitzig erscheinenden Gleichung in ein Flächenmaß zu überführen: Pfeffers Werke sind blitzgescheit, humorvoll, formal stringent und fordern zum Mitdenken auf.

Zur Person

Bildhauer Roman Pfeffer

Geboren 1972 in Vöcklabruck

Ausbildung Akademie der bildenden Künste, Wien; Kent Institute of Art and Design, Canterbury/GB
Laufbahn internationale Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, seit 2010 Mitglied des TransArt-Leitungsteams an der Universität für angewandte Kunst in Wien
Auszeichnungen u. a. Dagmar Chobot Skulpturenpreis
Wohnort Wien

Geöffnet im Bildraum Bodensee, Seestraße 5, Bregenz, bis 5. September, Di und Do von 13 bis 18 Uhr, Fr und Sa von 11 bis 16 Uhr.