In einem fremden Land und in der Zukunft

Heimweh nach einer anderen Welt
Ottessa Moshfegh, Liebeskind, 334 Seiten
Niklas Maak riskiert und verspielt, aber man kann auch genial scheitern.
Romane Es geht um einen ehrgeizigen Plan aus dem letzten Jahrhundert: Schon seit rund 100 Jahren gibt es immer wieder die Idee, in der Libyschen Wüste einen Weg zum Mittelmeer freizusprengen und so das Land zu fluten. Das würde einen der trockensten Landstriche Afrikas fruchtbar machen und für Strom und Reichtum sorgen. Durch die daraus resultierende Absenkung des Meeresspiegels im Mittelmeer könnte es sogar für Städte wie Venedig eine Verschnaufpause bezüglich der Überschwemmungen geben. Forscher aus aller Herren Länder bissen sich bei diesem Monster-Projekt die Zähne aus, Niklas Maak ist nun der erste Autor, der in seinem Roman „Technophoria“ daran scheitert.
Mit Eleganz gescheitert
Der große Plan von Alexander Driessen, Chef eines datensammelnden Unternehmens, ist es, rund um den Globus Smart Citys entstehen zu lassen. Eine davon gibt es schon: Autonomes Fahren, denkende Häuser und ein Mensch, der fast schon überflüssig erscheint, sind in Technophoria Standard. Die Menschen leben in einer Algorithmen-Diktatur, jedes menschliche Tun ist berechnet und jeder Gedanke vorgedacht. Es ist eine unterkühlte Welt, in der sich Valdemar Turek, ein Angestellter im Datensauger-Konzern, zurechtfinden muss, aber etwas mehr vom Leben will. Dazu fiebert der Gedanke auf, dass die Qattara-Senke geflutet werden sollte. Das klingt spannend und ist es auch. Der Autor kriegt jedoch nicht die Kurve. Es ist die Summe aus unzähligen kleinen Geschichten, die kein Ganzes ergeben. Mit tragenden Charakteren sollte man erst gar nicht rechnen. Natürlich sind die Ideen genial, wie eben der Traum, die Wüste zu fluten. Aber der Autor kann sich nicht entscheiden, wohin es geht. Ein reizvolles Abenteuer, welches sich in der Wüste verliert.
Helles Leuchten
Aber es gibt natürlich die eine, die das alles und mehr erfüllt. Ottessa Moshfegh, US-Autorin mit kroatischem Ursprung, schreibt die Kurzgeschichten nach der Katastrophe, eigentlich sind es die Storys, die nach der Ära Trump passieren müssten. Verfahrene und zerfahrene Menschen, die sich im Grunde im Kreis drehen. Hier gibt es zum Beispiel die Frau, die das Haus ihres Liebhabers verscherbelt, der unterdessen durch einen Werbeauftritt den Durchmarsch nach Hollywood schaffen will. Oder das Mädchen, das einen alten, bösen Mann töten will, um an einen guten Ort im Inneren der Erde zu gelangen.
Die Autorin ist eine Meisterin in der eisernen Führung ihrer Figuren, die im äußerst organisch beschriebenen Chaos noch etwas Würdevolles erleben wollen. Dazu gibt es oft dieses plötzliche Ende, welches einen in menschliche Abgründe schauen lässt. Moshfegh hat sich hier ihr eignes kleines Königreich errichtet. Durch gute Betrachtungen und einer nüchternen, äußeren Analyse, die sie immer sehr gekonnt einfließen lässt, bekommen die Storys einen gewollt absurden Charakter, den die Autorin literarisch gekonnt abfedert. Die nächste Leistungsstufe wäre erreicht, wenn die Autorin die Storys ineinander verweben würde. Das wäre sehr interessant.

Technophoria
Niklas Maak, Hanser,
277 Seiten