Schöner mit und ohne Kunst

Kultur / 19.07.2020 • 18:49 Uhr
Peter Wehingers Konzept, Werke zu schaffen, an denen man nicht einfach so vorbeikommt, geht auf.  Neumayer
Peter Wehingers Konzept, Werke zu schaffen, an denen man nicht einfach so vorbeikommt, geht auf.  Neumayer

Peter Wehingers Statement auf der Burgruine Alt-Ems provoziert bei Tag und Nacht.

HOHENEMS Ein schöner Ort mit einem schönen Ausblick. Es könnte alles so schön sein. Und so einfach. Wenn da nicht die Kunst wäre, die häufig auch unschöne Fragen aufwirft. Dazu zählt auch die Frage, ob es sie an einem solchen Ort und überhaupt braucht, die Kunst. Der aktuell diesem Sachverhalt auf dem Hohenemser Schlossberg nachgeht, ist der Dornbirner Künstler Peter Wehinger. Seine Installation auf der Burgruine Alt-Ems ist bereits die siebte, Intervention in Folge, die jeweils im Sommer auf den Hausberg der Nibelungenstadt lockt.

In Großbuchstaben

Aber Peter Wehinger mag es weder schön noch einfach. Vor allem nicht nach den letzten Corona-geprägten Monaten. Er konfrontiert den nach steilem Anstieg vielleicht eh schon außer Atem bei der Ruine Ankommenden mit einer weißen Plane und in Großbuchstaben mit den Worten „OHNE KUNST“. Das weckt Assoziationen an das kürzlich in den sozialen Medien verbreitete Motto „Ohne Kunst wird es still!“. Beim Weitergehen erblickt man dann aber eine zweite Plane mit der Aufschrift „WÄRS SCHÖNER“. Wäre es wirklich schöner ohne Kunst? Von hinten nach vorne gelesen, kann die Behauptung, die ohne Satz- oder Rufzeichen auskommt, auch als Frage gelesen werden. Und was wäre schöner ohne Kunst? Das (Künstler)Leben, die Ruine, die Welt? Das provokative Statement, das bei Nacht mit Scheinwerfern angestrahlt wird und mit dem Wehinger auch sein eigenes Metier und Tun mit systemrelevanten Mitteln, wie man heute so schön sagen kann, torpediert, fordert heraus, setzt das Gedankenkarussell in Gang. Vor allem, nachdem Kunst und Kultur in den Wochen und Monaten des Shutdowns Mangelware waren. Nettes Detail und subtiler Witz am Rande: Den Auftrag für die Installation hat der Verkehrsverein Hohenems, vormals Verschönerungsverein genannt, erteilt.

Spielerisch und drastisch

Peter Wehingers Werk ist von bildhauerischem Denken in den Installationen und von zeichnerischer Qualität auf dem Papier geprägt. Was en passant spielerisch und ironisch daherkommt, nimmt in der Formulierung durch den Künstler eine Wende ins Drastische, Unbequeme. Beispielsweise, wenn er sich mit Zeit und Endlichkeit befasst, diese mit Alltagsmaterialien und Maschinerien bildhaft macht, die Höhenmeter des Mount Everest mit Schnüren horizontal verspannt, männliche Pin-ups mit Bierbäuchen zeichnet oder scheinbar selbstzerstörerisch und gesellschaftskritisch die Kunst in Frage stellt. Kritische Meinungen zur zeitgenössischen Kunst hat er bereits 2013 in seiner Soundinstallation „Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen!“ eingeholt.

Peter Wehingers Konzept, Werke zu schaffen, an denen man nicht einfach so vorbei kommt, geht auf. Immer wieder gelingt es ihm, dem Betrachter seiner Arbeiten etwas mit auf den Weg zu geben. So auch in Hohenems, wo beim Abstieg genug Zeit zum Nachdenken darüber bleibt, dass manches vielleicht doch ohne, vieles aber mit Kunst schöner ist. AG

Die Installation ist auf der Burgruine Alt-Ems bis 11. Oktober zu sehen.