Protest gegen den Zustand der Welt

Zdenek Adamec – Eine Szene
Peter Handke, Suhrkamp,
72 Seiten
Handkes Stücktext zur Uraufführung bei den Salzburger Festspielen.
Erzählung Zdenek Adamec gab es wirklich. Der 18-Jährige verbrannte sich an einem Märzmorgen des Jahres 2003 auf dem Prager Wenzelsplatz. In seinem Abschiedsbrief beklagte er die von Gier und Geld geprägte Entwicklung, die sein Land nach der Wende nahm. Ist Handkes „Zdenek Adamec“ also ein Stück „nach einer wahren Begebenheit“? „Mit wahren Begebenheiten könnt ihr mich jagen“, heißt es dort allerdings.
Am 2. August wird Handkes „Szene“, wie er das Stück im Untertitel nennt, bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Nun erschien der Text als schmaler Band im Suhrkamp Verlag. Was einen bei der Uraufführung von Friederike Heller im Salzburger Landestheater – und im Februar 2021, wenn Frank Castorf im Burgtheater seine Version vorlegt – erwartet, lässt sich anhand der Lektüre noch nicht klar sagen. Handke reiht Textblöcke aneinander, von kurzen Einwürfen und Repliken bis zu längeren Geschichten, ohne sie bestimmten Sprechern zuzuordnen. Es gibt keine Figuren und keine Rollenzuschreibungen.
Zdenek Adamec taucht als Person selbst nie auf in der Szene. Die Figuren erzählen immer wieder von der Tragödie. Sie unternehmen so etwas wie eine Rehabilitation der damals von offizieller Seite als Verrücktheit eines einzelnen Verwirrten abgetanen Tat. Gleichzeitig weisen sie daraufhin, dass es keine Wahrheit geben könne: „Eine immer noch aktuelle wahre Geschichte? Nein, sie ist die falsche, ist falsch oder, nein, sie ist falsch erzählt, ist gefälscht. Ich jedenfalls glaube ihr kein Wort.“ Dennoch sind es Geschichten, die die Menschen verbinden und die von den Menschen bleiben. Deswegen werden viele Geschichten erzählt. Ihre Zusammenhänge bleiben oftmals ebenso im Unklaren wie jene für das vielstimmige Anklingen von Motiven, die sich immer schon durch Handkes Werk ziehen, Zitate aus Musikstücken, aus Literatur und Film, Parzival und die Kreuzritter, Weltuntergang und Märchen klingen an.
Und dazwischen kommt man immer wieder auf den jungen Mann zurück, von dessen Fall Handke bereits in seinem Roman „Die Obstdiebin“ geschrieben hat, und der ihn bereits seit 2003 beschäftigt: „Ich hab das damals gelesen, dass ein junger Mann scheinbar dem Beispiel von Jan Palach gefolgt ist, aber er hat es nicht aus konkret politischem Protest gemacht, sondern aus Existenzgründen: Dass er als junger Mensch, der seinen Platz in der Welt nicht findet, diese Welt nicht so lieben kann, wie er gerne möchte. Das hat mich sehr beeindruckt.“