Werke als Botschaften

Ensemble plus entwickelte mit Werken aus der Isolation beklemmende Dichte.
BREGENZ „Es war ein Schnellschuss“, charakterisierte Thomas D. Trummer diesen Abend, der im Kunsthaus unter dem gedachten Motto „Corona und die Folgen“ stand. Aus der Isolation schwerer Pandemietage war ungeahnte künstlerische Kreativität von höchster Aktualität erwachsen. Je zwei Musikstücke des Vorarlbergers Gerald Futscher und des Lindauers Nikolaus Brass wurden als Uraufführungen präsentiert, mit denen sich die beiden während des Lockdowns künstlerisch Luft verschafft hatten und die damit ideal mit den während oder vor der Krise entstandenen Arbeiten zur laufenden Ausstellung „Unvergessliche Zeit“ korrespondierten. Es ist aber auch die Wiedererweckung des kompetenten Neue-Musik-Ensembles plus, dessen letztes Konzert vor der Krise an jenem berüchtigten Freitag, dem 13. März, dem Virus zum Opfer gefallen war. Nun kommt der neu bestellte Leiter und Bratschist Guy Speyers zu seinem Debüt, neben seinem Vorgänger Andreas Ticozzi, der das Ensemble 25 Jahre sicher geführt hat.
Besondere Spieltechniken
Es scheint, als wären die Werke als Botschaften genau auf diesen akustisch nicht unproblematischen Raum hin konzipiert, so stimmig kommen sie hier zur Wirkung. Und da ist man auch sofort mittendrin in dieser sensiblen Welt der Mikrotonalität, die sich wie von Zauberhand aus fein gesponnenen Klängen entfaltet, fühlt sich dort auch gut aufgehoben. Gerald Futscher hat für sein erstes Werk wieder einmal das alte Harmonium als sein Lieblingsinstrument aktiviert, dessen altvaterischer Sound kammermusikalisch mit den zeitgeistig herben Bratschentönen von Guy Speyers kontrastiert, geerdet von langen Sinus-Liegetönen über Tonbandzuspielungen. Futschers zweites Werk bezieht zur Viola die Piccoloflöte mit der feinsinnig gestaltenden Anja Nowotny-Baldauf in Imitationen als Dialogpartnerin mit ein. Dazu kommen vorgefertigte Zuspielungen in derselben Besetzung, zu der die Liveinstrumente in laufende Korrespondenz treten, sodass mit der Zeit ein großflächig vervielfachtes Musizieren entsteht. Andreas Ticozzi entzündet seine lebenslange Erfahrung mit der geliebten Bratsche an zwei effektvollen Werken von Nikolaus Brass, die eine neue, besondere Welt der geschärften Klänge und Obertöne erschließen. Besondere Spieltechniken ermöglichen weit auseinanderliegende Intervalle, das Spiel mündet schließlich auch in freundlich tonale Legato-Bereiche von berührender Schlichtheit und Schönheit.
Der Dichter Christian Futscher schließlich schafft mit Lesungen aus seinem vierten Lyrikband „Das Pfeifen der Gräser“ drei unterhaltsame Sprachinseln, die in beklemmender Dichte in die Musik eingebettet werden. Futscher erinnert als Wortkünstler mit seinen knappen Aphorismen voll Hintersinn entfernt an das Schaffen H. C. Artmanns, bleibt dabei im Nebeneinander von klugem Nonsens und sarkastischem Scharfsinn aber stets eigenständig profiliert.
