Der Blick ins schwarze Herz der Macht

Kultur / 11.08.2025 • 12:50 Uhr
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SF/ Ruth WalzAsmik Grigorian bietet eine grandiose Interpretation der Lady Macbeth.

Asmik Grigorian begeistert erneut als Lady Macbeth bei den Salzburger Festspielen.

Salzburg Mit der Wiederaufnahme von Verdis Macbeth unter der Regie von Krzysztof Warlikowski haben die Salzburger Festspiele eine ebenso verstörende wie faszinierende Aufführung präsentiert – ein Abend, der unter die Haut geht, musikalisch glänzt, szenisch jedoch polarisiert. Was sich auf der Bühne des Großen Festspielhauses abspielte, war keine konventionelle Opernaufführung mehr, sondern das bildmächtige Psychogramm einer ausgehöhlten Welt. Mittendrin prägte Asmik Grigorian den Abend mit fast unwirklicher Intensität.

Macbeth
Vladislav Sulimsky als Macbeth mit seiner Lady Asmik Grigorian. sf/ruth walz

Verdis Macbeth ist kein Werk der sentimentalen Regungen, sondern eines der seelischen Abgründe. Der Komponist verzichtet bewusst auf Liebesduette oder gefällige Melodien, um die innere Zerrüttung seiner Figuren ungeschönt in Töne zu gießen. In der Pariser Fassung von 1865 – in Salzburg mit einigen Rückgriffen auf die florentinische Erstfassung gespielt – steigert Verdi diese Radikalität noch: Die Musik pulsiert düster, die Charaktere sind von Schuld und Wahn durchzogen. Philippe Jordan, der Opernchef der Wiener Philharmoniker, modellierte diesen Klang mit kluger Hand: präzise, dramatisch zugespitzt, zugleich aber von einer geradezu feinen Eleganz getragen. Die Wiener Philharmoniker boten einen plastischen, vielschichtigen Verdi-Klang, der besonders in den Nachtfarben und tiefen Registern zu beeindrucken wusste.

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Macbeth bei den Salzburger Festspielen. sf/ruth walz

Der wahre Fixstern des Abends war jedoch Grigorians Lady Macbeth: nicht nur stimmlich brillant, sondern auch darstellerisch beklemmend präzise. Ihre Interpretation der Rolle, die sie bei den Festspielen bereits vor zwei Jahren verkörperte, hat inzwischen eine erschütternde Reife erreicht. Grigorian verleiht ihrer Lady kein dämonisches Pathos, sondern eine fragile, von inneren Widersprüchen zerfressene Weiblichkeit. Ihr großes Glanzstück ist die Arie „La luce langue“ – hier balanciert sie mit bewundernswerter Selbstkontrolle zwischen Aufbegehren und Abgrund. In der Schlafwandelszene schließlich, in der viele Sängerinnen in expressionistischem Überschwang schwelgen, bleibt Grigorian verhalten, beinahe spröde – ein Ausdruck existenzieller Verlorenheit, der erschüttert.

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Macbeth bei den Salzburger Festspielen. sf/ruth walz

Regisseur Krzysztof Warlikowski, der sich bei seinen bisherigen Salzburger Arbeiten (The Bassarids, Elektra) als Spezialist für psychologisch aufgeladene Bilderwelten erwiesen hat, geht mit Macbeth noch einen Schritt weiter. Die Handlung wird nicht nur in moderne Kontexte verlagert, sondern durch Filmzitate, Live-Kameras, Monitore und symbolische Tableaus radikal überformt. Gleich zu Beginn unterstreicht ein Besuch der Lady beim Gynäkologen die These, dass die Kinderlosigkeit des Paares der Ursprung ihrer Entfremdung und Mordlust ist. Immer wieder tauchen maskierte Kinder auf – ein visuelles Echo aus dem Horrorgenre –, das den psychischen Zerfall von Macbeth und seiner Frau auch ins Albtraumhafte kippen lässt.

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Macbeth bei den Salzburger Festspielen. sf/ruth walz

Musikalisch überzeugt die Aufführung auf hohem Niveau: Vladislav Sulimsky als Macbeth begeistert mit seinem dunklen, robusten Bariton, wenngleich seine innere Zerrissenheit eher durch vokale Kraft als durch psychologische Tiefenschärfe zum Ausdruck kommt. Jonathan Tetelman als Macduff bietet mit seiner großen Arie einen der eindrucksvollsten gesanglichen Momente des Abends – seine zögernde Generalpause vor dem ersten Ausruf wirkt wie ein stummer Schrei. Tareq Nazmi als Banco punktet mit noblem Timbre und souveräner Präsenz. Der Staatsopernchor bleibt trotz seines klanglichen Prachtbaus szenisch eher Staffage.

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Macbeth bei den Salzburger Festspielen. sf/bernd uhlig

Diese Macbeth-Wiederaufnahme ist kein einfacher Abend – sie fordert heraus, stößt ab und berührt zugleich. Philippe Jordan liefert am Pult eine musikalische Meisterarbeit, Asmik Grigorian überragt mit einer fesselnden Darstellung. Warlikowskis Regie bleibt jedoch in vielem ambivalent. Wer sich auf diese dunkle Vision von Macht und Wahnsinn einlässt, erlebt ein Opernerlebnis von verstörender Kraft. Am Ende war der Jubel groß – für die Musik, für Grigorian, für Verdi. Die vereinzelten Buhrufe für die Regie bezeugen nur, wie tief dieser „Macbeth“ trifft – und wie scharf sein Blick ins Innere einer aus dem geratenen Welt fällt. Weitere Aufführungen finden am 14., 17., 20., 26. und 29. August statt.

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Marco BorrelliDas Ensemble geniesst den Schlussapplaus des Publikums.