“Die Natur ist das Wertvollste”

Musik macht uns das ebenfalls bewusst, erklärt der renommierte Geiger Pawel Zalejski.
bregenz, Fürth 1980 in Bydgoszcz in Polen geboren, studierte Pawel Zlejski in Warschau, Wien und Detmold und absolvierte sein Konzertexamen mit Auszeichnung. Er war Preisträger bei internationalen Wettbewerben. Renommée genießt Zalejski als Primarius des Apollon-Musagète-Quartetts, das sich rasch als feste Größe in der internationalen Musikszene etablierte. Zalejski war Gastkonzertmeister in verschiedenen Orchestern und Ensembles und ist seit 2013/14 Erster Konzertmeister des SOV. Er ist mit der Geigerin Monika Hager-Zalejski aus Lindau verheiratet, mit der er das preisgekrönte Duo Viennese bildet, und lebt mit seiner Familie mit drei Söhnen in Fürth.
In der Musik wurde früher die Fermate, das Ruhezeichen, als Corona bezeichnet. Wie hat diese erzwungene Riesenfermate Ihr Leben beeinflusst?
Zalejski Schon wesentlich. Es war und ist eine Zeit, die es früher nie gab und auf die niemand wirklich vorbereitet war. Am Anfang stand ein Schock, aber wenn man jetzt zurückblickt, war es eine Zeit der Wandlung. Ich sehe da eine Chance für eine kreative Diskussion über alles. Wie können wir den gesamten Betrieb kreativ umgestalten, neue Formate entwickeln? Man kann z. B. Wandel- und Wander- und Openair-Konzerte veranstalten: Bei den Musiktagen in Kassel mache ich 1:1-Konzerte, da tritt an einem Ort mit vielen Räumen je ein Musiker in einem Raum auf. In Nürnberg haben wir Konzerte in der Katharinenruine veranstaltet, wo sich die Meistersinger trafen und wo die erste Szene von Wagners Oper spielt. Die SOV-Konzerte der kommenden Saison geben wir zwei Mal hintereinander. Ich habe keine feste Anstellung, im März bin ich auf Null gekommen, mit Home-schooling für meine Jungs hatte ich aber voll zu tun. So eine Zeit werde ich wahrscheinlich nie mehr erleben dürfen, mit diesem intensiven Familienleben, mit Zeit zum Studieren und für die Natur. Ich habe es u. a. geschafft, das Bodenseeschifferpatent zu machen.
Sollte die Politik spezielle Maßnahmen für Musiker setzen?
Zalejski Selbständige Musiker sind meistens weniger bezahlt und haben kaum Rücklagen. Die SOV-Musiker bilden zwar das Landesorchester und stecken viel Schweiß und Herzblut in ihre Arbeit, sind aber nicht fest angestellt. Wir arbeiten auf Projektbasis, quasi wie Saisonarbeiter. Ich würde mir wünschen, dass die Politik nach einem anderen Konstrukt sucht, zumal die Politiker ja auch unsere Konzerte besuchen und uns kennen und schätzen. Es geht auch um ein Gefühl der Zugehörigkeit. Rundum, z. B. in Liechtenstein, ist die Situation bedeutend besser.
Hat diese Zeit für Sie auch Positives gebracht?
Zalejski Das ist für mich keine Frage: Man muss die Lage positiv sehen und gestalten, um weiterzukommen. Es geht um Aufrechterhalten und Kreativ-Sein, damit wir das alles auch für die nächste Generation erhalten können. Es gab aber auch Sackgassen: Das überflutende online-Angebot ist auf die Dauer kein Ersatz für live-Konzerte. Großer Dank gebührt den Veranstaltern wie den Festspielen, die es wagen, wieder Aufführungen zu machen.
Sie haben in unserem letzten Interview gesagt, in der Musik seien Emotionen das Wichtigste. Glauben Sie, dass Musik gerade jetzt für die Menschen etwas Besonderes bewirken kann?
Zalejski Unbedingt. Das live-Musikerlebnis ist genau das, was wir alle in diesen Zeiten brauchen, Musiker und Publikum. Es schafft wieder ein Bewusstsein für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit.
Welches Musikstück hilft am besten gegen die Corona-Ängste?
Zalejski Beethovens Siebte ist sicher eines davon, auch sein Streichquartett opus 132 mit dem „Heiligen Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit“.
Hört man Beethovens Siebte in Zeiten wie diesen anders?
Zalejski Sie ist genau das Passende für diese Situation. Sie vermittelt für Musiker und Publikum Freude an der heilenden Wirkung von Musik. Sie hat kein Programm, sie ist Musik pur, es ist eine musikalische Tanz-Apotheose, die auch die Spieler in Euphorie versetzt. Sie wirkt wie ein direkter Strahl ins Herz.
Was erwartet das Publikum mit den „Chants d’Auvergne“ von Joseph Canteloube?
Zalejski Es ist die perfekte Ergänzung zu Beethovens Siebter. Die Musik ist sehr beseelt, pastoral, beruhigend und vermittelt eine positive Naturstimmung.
Sie treten auch mit dem ensemble konz.art auf der MS Sonnenkönigin auf. Was spielen Sie da?
Zalejski Zwei Mal vier Jahreszeiten: Die von Vivaldi und die „Vier Jahreszeiten in Buenos Aires“ von Astor Piazolla. 1946 haben die Festspiele auf zwei Kähnen auf dem See begonnen, daraus wurde die Seebühne. In Notsituationen richten wir unseren Blick auf den Bodensee und machen dort etwas, heute allerdings auf einem Luxusschiff. Die Natur ist das Wertvollste, was wir haben, nicht nur in Notzeiten.
Wie ist es für Sie, wieder mit dem Symphonieorchester Vorarlberg zu musizieren?
Zalejski Ich freue mich wahnsinnig.
Pawel Zalejski spielt am 14., 16. und 20. August auf der Sonnenkönigin (Sonnenkönigin meets Classic) sowie beim Symphonieorchester Vorarlberg.