Mittelalterliche Ingenieurskunst

Kultur / 21.08.2020 • 18:09 Uhr
Mittelalterliche Ingenieurskunst

Wasser war auch eine Grundvoraussetzung für die Gründung eines Klosters.

Sachbuch „Die Zisterzienser gelten gemeinhin als Vorreiter des technischen Fortschritts bei der Nutzbarmachung des Wassers und der Wasserkraft im Mittelalter.“ So beginnt das wissenschaftlich fundierte, opulent bebilderte und zugleich lesefreundliche Buch über „Die Zisterzienser und das Wasser“, welches der Kunsthistoriker Ulrich Knapp nach vierjähriger Arbeit in Salem vorgestellt hat.

Der Schwerpunkt des in der Publikationsreihe der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG) erschienenen Werks liegt auf den Klöstern Salem, Maulbronn und Bebenhausen, den drei bedeutendsten ehemaligen Zisterzienserklöstern im Südwesten Deutschlands, das Buch bezieht aber den aktuellen europäischen Forschungsstand mit ein. Auch wenn kein österreichisches Kloster im Blickpunkt steht, gelten die Erkenntnisse für alle Zisterzienserklöster, ja für die Gründung von Klöstern allgemein.

„Wasser zieht sich wie ein roter Faden durch die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der Klöster“, so Michael Hörrmann, Geschäftsführer der SSG. „Ohne Wasser kein Kloster, keine Mühlen, keine Hammerwerke.“ Wasser war eine Grundvoraussetzung für die Anlage eines Klosters.

Speicherseen

In intensiver Forschung in Archiven und vor Ort, auch in alten Kanälen unter den Klosteranlagen, hat Ulrich Knapp ein faszinierendes System von Wassernetzen und Kanälen entdeckt, über das man nur staunen kann. Doch es geht nicht nur um die ausgeklügelte Ingenieurskunst der Mönche – von großer Bedeutung sind auch die Rechte, welche die Anlagen der unterschiedlichen Mühlen erst erlaubten, die Frage, wer welchen Bach wie weit aufstauen durfte. Dazu Knapp: „Jede Klostergründung ist ein Eingriff in die Rechte anderer.“ Schon früh wurden Speicherseen in der Höhe angelegt. Denn Wasser war im Mittelalter und weit bis an die Gegenwart heran das einzige Mittel, Energie zu speichern.

Im Vergleich: Windmühlen laufen nur bei Wind. Beschrieben werden auch die komplizierten Latrinenanlagen der Klöster, von denen selbst vornehme Bürger oder Adlige nur träumen konnten. Und was, wenn intensiver Starkregen über der Gegend niederging? Keinesfalls durften die Mauern durchnässt werden. Um dies zu verhindern, gab es gut gekennzeichnete Schächte, durch die auch verschlammte Kanäle geputzt werden konnten. Das Werk ist ein bahnbrechender Ansatz zur Erforschung des viel zu lang vernachlässigten Alltags. hv

„Die Zisterzienser und das Wasser“, Ulrich Knapp, Imhof Verlag, 312 Seiten.