Ein besonderer Strauss zum Abschied bei den Festtagen

Kultur / 23.08.2020 • 21:06 Uhr
Philippe Jordan und die Wiener Symphoniker im Pandemie-bedingt bestuhlten, ausverkauften Bregenzer Festspielhaus.BF/Mathis
Philippe Jordan und die Wiener Symphoniker im Pandemie-bedingt bestuhlten, ausverkauften Bregenzer Festspielhaus.BF/Mathis

Philippe Jordan und seine Wiener Symphoniker waren ein letztes Mal gemeinsam in Höchstform.

BREGENZ Einen glänzenden Abschied bereiteten die Wiener Symphoniker bei den Festtagen ihrem im Herbst als Musikdirektor an die Wiener Staatsoper scheidenden Chefdirigenten Philippe Jordan. Sein Abschiedskonzert von Bregenz war zugleich eine Bestätigung für die fabelhafte künstlerische Kondition, die er dem Orchester in sechs Jahren intensiver Arbeit vermittelt hat und wovon letztlich auch die Bregenzer Festspiele profitierten. Das Publikum genoss diesen Abend in vollen Zügen und bereitete den Musikern und ihrem Maestro Standing Ovations, der sich bescheiden bedankte: „So schön, wieder hier zu sein!“ Ohne Symphoniker keine Festspiele, gilt seit 1946 als Bregenzer Motto. Dass die Symphoniker hier waren, obwohl es keine Festspiele gibt, ist wohl als besonderer Glücksfall zu werten.

Am Orchesterklang gearbeitet

Philippe Jordan (45) hat seine Zeit bei den Symphonikern nie als bloße Warteposition für höhere Weihen betrachtet. Mit der ihm eigenen Arbeitsmoral hat er am Orchesterklang und an der Homogenität gearbeitet und den Musikern anstelle programmlicher Vielfalt strenge inhaltliche Strukturen mit klaren Schwerpunkten verordnet. Neben einer erfolgreichen internationalen Konzerttätigkeit bleiben CD-Einspielungen aller neun Beethoven-Symphonien sowie der vier Brahms-Symphonien als Erbe dieser Epoche dokumentiert. Man möchte dem zielstrebigen Schweizer Philippe Jordan gerne als Dank symbolisch einen Strauß überreichen, doch den hat er gleich selber im Gepäck. Es ist eine mitreißende Gala mit Werken von Richard Strauss, die Jordan und seinem Orchester sehr zu liegen scheinen und an denen sie gemeinsam nochmals ihre vielfach erprobten klanglichen Finessen, ihre geschärfte Präzision und natürlich die als Identität sorgsam gepflegte Wiener Klangkultur entzünden. Gerade die beiden erfolgreichsten seiner Symphonischen Dichtungen, „Don Juan“ und „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, vermögen als Programmmusik schlechthin das Publikum mitzureißen und zu berühren. In ihren rasanten Stimmungswechseln, einer Art Rauschhaftigkeit und der raffinierten Instrumentierung sind sie auch wunderbare Orchesterporträts mit vielen Möglichkeiten für die einzelnen Register in einer vom Dirigenten genau ausgeklügelten Balance, aber auch für die exzellenten Solisten. Besonders markant ist da das vom Publikum geliebte, von den Musikern wegen seines Schwierigkeitsgrades eher gefürchtete Hornsolo zu Beginn des „Till Eulenspiegel“, das makellos gelingt.

Plastische Erzähler

Jeder kann sich unter den beiden Figuren etwas vorstellen, für deren Charaktere und Abenteuer sich der fantasievolle Komponist bunte und klangprächtige Bilder einfallen ließ, ohne dass die Musik jemals zur bloßen Illustration verkommt. Und da langen nun der nicht weniger fantasiebegabte Dirigent und seine Musiker bei der Umsetzung lustvoll zu, werden so gemeinsam zu plastischen Erzählern, die ihre helle Freude haben an den vielen musikalischen Effekten, Farben, Kontrasten. Es scheint, dass sie in langjähriger künstlerischer und menschlicher Verbundenheit eins wurden, so kompakt und mit größter Intensität werden in großer Besetzung diese Klangmassen unter der absolut souveränen, eleganten und auch das Publikum faszinierenden Leitung von Philippe Jordan gesteuert.

So spinnt sich diese Freude im Saal weiter, über das wiedergewonnene Live-Konzerterlebnis mischt sich freilich etwas Wehmut über Jordans Abschied. Und in diesem emotionalen Zwiespalt trifft der dritte Programmpunkt ins Herz: die Orchestersuite op. 59 aus dem „Rosenkavalier“, eine kunstvoll geflochtene Version aus Szenen der bitter-süßen Erfolgsoper, bei der die unverwüstlichen Walzermelodien meist die Oberhand behalten. Sie klingen durch Strauss‘ bayerische Brille betrachtet eine Spur derber, erdiger, auch morbider als jene der Wiener Namenskollegen mit dem scharfen ß. Das Werk ruft ein gerade zur Pandemie gültiges Zitat in Erinnerung: „Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding“.