Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Eine starke Genossenschaft

Kultur / 29.08.2020 • 08:59 Uhr

Einer der schönsten Flecken unseres Landes ist das Vorsäß Schönenbach, nur über Bizau zu erreichen, aber ungeachtet dessen ein Bezauer Vorsäß. Egal von welcher Seite man sich nähert – wenn sich das Tal mit den wenigen Bauernhäusern öffnet, dann tut sich das Herz auf. Wenn man ins „Zentrum“ kommt, dann ist man aber doch etwas bedrückt von den vielen Menschen, die sich hier tummeln. Wesentlich verstärkt hat sich dieses Problem durch die vielen E-Biker, die nun ganz unproblematisch den Anstieg von Bizau schaffen, noch deutlicher auch durch den Wanderweg von Sibratsgfäll, der durch die vielen Radfahrer fast schon zum Spießrutenlauf geworden ist. Wie immer: Ist man einmal beim schönen Bach, der sich durch das Tal mäandert, dann kommt so etwas wie Glück auf.

„Und sie werden genau aufpassen müssen. Eine Art ‘Kongresstourismus‘ würde Schönenbach nicht vertragen.“

Das hängt nicht zuletzt mit der Genossenschaft zusammen, die seit Jahrhunderten das Bild von Schönenbach unverändert lässt. Denn strenge Regeln verhindern ein Ausbreiten der Häuser, deren Anzahl – laut altem Statut – nicht vermehrt werden darf. Das heißt, dass ein Bauer, dem sein altes Haus zu alt geworden ist, nur ein neues Haus bauen darf, wenn er das alte abreißt. Die Häuser der Bauern, die zu Vorsäßzeiten, also im Juni und September, in ihre Häuser kommen, stehen auch nicht auf privatem, sondern auf Genossenschaftsgrund, nur das Haus selbst ist Privatbesitz. Das ganze Vorsäß ist also „gemein“, es gehört kein Grund einem Einzelnen.

Bei allen Veränderungen in Schönenbach ist man vorsichtig. So auch beim Neubau des Kinderdorfs. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dem Vorarlberger Kinderdorf ein Platz im Vorsäß zugestanden, an dem zwei Baracken errichtet wurden, um Kindern und Jugendlichen hier Erholung zu bieten. Die Häuser kamen in die Jahre, ein Neubau stand an. Und Neubauten sind hier sensibel. Man darf allerdings dem Kinderdorf und dem planenden Architekten Ralf Broger zugestehen, dass sie die Aufgabe bestens gelöst haben. Nach einigen Diskussionen um die Größe der beiden Häuser wurde es nun ein beeindruckendes Ensemble, das sich im Stil der Umgebung bestens anpasst. Natürlich: Da gibt es nun Räume – und das war ein Teil der Befürchtungen – die sich nicht nur für den Aufenthalt von Kindern, sondern auch für Seminare oder dergleichen eignen würden.
Das aber wollen die Bauern nicht in ihrem Tal haben. Und sie werden genau aufpassen müssen, dass es bei der ursprünglichen Zusage der Nutzung bleibt. Eine Art „Kongresstourismus“ würde Schönenbach nicht vertragen.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.