Das Abenteuer ­Ersatzkonzert

Kultur / 30.10.2020 • 19:08 Uhr
Sinfonietta Köln unter dem Dirigenten Cornelius Frowein mit dem Solisten Georgy Tchaidze im Kulturhaus Dornbirn. ju
Sinfonietta Köln unter dem Dirigenten Cornelius Frowein mit dem Solisten Georgy Tchaidze im Kulturhaus Dornbirn. ju

Erst nach Überwindung vieler Hindernisse konnte die Sinfonietta Köln in Dornbirn auftreten.

DORNBIRN Was es bedeutet, so wie auch andere Veranstalter im Land für das treue Abo-Publikum Konzerte nachzuholen, die während des Lockdowns entfallen sind, davon kann Kulturamtsleiter Roland Jörg ein Lied singen. Es bedurfte eines abenteuerlichen organisatorischen Aufwandes, um das bei Dornbirn Klassik am 26. März abgesagte Konzert mit der erstmals hier engagierten Sinfonietta Köln am Donnerstag nachzuholen, „in einem idealen Zeitfenster“, wie Jörg im Hinblick auf angekündigte weitere Einschränkungen meinte. Damit schon jetzt Abstände und Besucherzahlen eingehalten wurden, hatte man sich für zwei Aufführungen mit jeweils ca. 200 Personen entschieden, das Programm auf 70 Minuten ohne Pause gestrafft und so ein Publikum erreicht, das sich trotz Maskenpflicht während des gesamten Ersatzkonzertes zunehmend begeisterungsfähig zeigte.

Ausnahmesituation

Für die Musiker aber bedeutete das, nach einer mehrstündigen Fahrt mit Privatbussen von Köln am selben Tag noch zwei Konzerte spielen zu müssen, und diese Stresssituation blieb dann auch nicht ganz ohne Folgen. So erreichte das 16-köpfige, engagiert stehend spielende Streicherensemble unter Cornelius Frowein erst nach einer gewissen Anlaufzeit das erwartete Niveau. Selbst der Dirigent hat, wie er dem Publikum gestand, eine solche Ausnahmesituation in den 40 Jahren seiner Karriere noch nie erlebt. Froh aber waren sie alle darüber, erstmals nach sieben Monaten überhaupt wieder auftreten zu können.

Frowein ist das, was man einen Kapellmeister der alten Schule nennt, mit routiniertem Handwerk, klaren Gestaltungsansätzen und einer guten Portion Temperament. Nach seinem 2018 erschienenen Buch über die stilgerechte Interpretation der Instrumentalmusik im 18. Jahrhundert tritt er mit zwei Beispielen aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ gleich den praktischen Beweis für seine Thesen an, die sich nicht an jenen Harnoncourts orientieren. Bewusst hat er dafür auch seinen geliebten Mozart gewählt, der Bachs gestrengen Kontrapunkt in diesen Werken durch seine Bearbeitung für Streicher abgemildert und emotional angereicht hat, was zu interessanten Wirkungen führt und den Weg zur Romantik freimacht. Die fünf Humoresken für Klavier aus Dvoráks Opus 101 in der Streicherbearbeitung von Frowein dagegen bleiben etwas lehrmeisterlich und ohne den Charme ihrer slawischen Herkunft, den man besonders in der populären Nummer 3 („Eine kleine Frühlingsweise“) vermisst.

Gut, das Haus verlassen zu haben

Dafür überzeugt das Finale mit einer Streichorchesterfassung von Chopins zweitem Klavierkonzert in f-Moll auf allen Linien, und man weiß mit einem Schlag, warum man an diesem regnerischen Abend das Haus verlassen hat. Der erst 32-jährige russische Pianist Georgy Tchaidze erweist sich als fabelhafter Gestalter dieses Virtuosenkonzertes mit seiner romantischen Klaviermusik par exzellence, die bei ihm locker und wie spontan improvisiert aus dem Handgelenk dahinplätschert. Dabei steckt harte Knochenarbeit dahinter, ein Konzert dieses Kalibers mit so untrüglicher Treffsicherheit und Gestaltungssicherheit von internationaler Klasse hinzukriegen. Im Larghetto verdankt man auch dem sorgfältig begleitenden Orchester, das dabei über sich hinauswächst, die schönste Stelle dieses Abends – weich gedämpft, voll zarten Empfindungen wird dem Solisten ein fein gewobener Teppich für seine präludierenden Gedanken bereitet. Der tänzerische 3. Satz zeigt Tchaidze nochmals in traumtänzerischer Sicherheit. Dieser Rhythmus der polnischen Mazurka setzt sich in der stürmisch geforderten Zugabe fort.

Nächstes reguläres Konzert Dornbirn Klassik im Kulturhaus: 27. Februar 2021, Münchner Kammerorchester, Dirigent Clemens Schuldt.