Das Runde muss ins Eckige

Im Bildraum Bodensee flüstert der Bildhauer Herbert Golser mit Holz und Stein.
BREGENz Die Natur hat ihre eigenen Formen. Diesem Vorgegebenen, Gewachsenen das Innerste zu entlocken und den Kern aufzublättern wie ein Buch, hat sich der Bildhauer Herbert Golser zur Aufgabe gemacht. Im Bildraum Bodensee sind seine wundersamen Objekte aus Holz und Stein derzeit unter dem Titel „Materialgeflüster“ zu sehen.
Gewachsene Gebilde
Das Runde muss ins Eckige, das Organische ins Geometrische, Konstruierte – immer aber ist es ein Stück, der Stamm eines Laubbaumes, ein Block Marmor, aus dem heraus der Künstler arbeitet. Dafür verwendet er nicht die klassischen Bildhauerwerkzeuge, sondern eigens für seinen Zweck adaptierte Maschinen, wobei ihm seine einst gemachte Ausbildung zum Elektromaschinenbauer zugute kommt. Rotierend geschnitten, die parallelen Einschnitte von jeder Seite in einem anderen Winkel gesetzt, sodass sie sich auf einem schmalen Grat, der alles zusammenhält, treffen und sich spannende Durchsichten ergeben, so entstehen, zum innersten Kern vordringend, die wie seltsam gewachsene Gebilde anmutenden Skulpturen des Künstlers. Während des langen, langen Trocknungsprozesses verwandelt sich das Massive in etwas Leichtes. Die unglaublich dünnen Holzstreifen fächern sich auf und biegen sich, der Schwerkraft gehorchend, wie Palmwedel.
Die Skulpturen wirken fragil wie sich öffnende Blüten, und man fragt sich unweigerlich, wie das alles zusammenhält. Eben dieses Ausloten des Möglichen ist es, das Herbert Golser immer wieder reizt und herausfordert. Auf die Frage, ob Bäume eine Seele haben, lächelt der Bildhauer. Seine allererste Ausstellung habe damals den Titel „Katharsis“ getragen und auf die Befreiung der Seele nach dem Tod angespielt. Auf jeden Fall, so Golser, sei ein Baum ein Lebewesen und damit auch beseelt. Zudem entdecke man häufig „Wunden“ im Inneren des Baumstammes. Diese Besonderheiten, Vernarbungen und Verwachsungen, die sich erst beim Bearbeiten offenbaren, mag der Künstler. Sie gehören zum Baum dazu, erzählen seine Geschichte. Wichtig ist Herbert Golser, dass er mit vorhandenem Material arbeitet, dass nicht extra ein Baum für seine Arbeit gefällt werden muss, wenn er sagt: „Das Material kommt auf mich zu.“ Beim Spaziergehen oder im Vorbeifahren entdeckt er häufig interessante Stämme, und mittlerweile tragen ihm auch Freunde und Bekannte, die um seine Leidenschaft wissen, „Material“ aus ihren Gärten zu.
Bergspitzen in Stein
An die Grenzen des Machbaren geht der Bildhauer, dessen Großvater Tischler und dessen Vater Steinmetz war und in dessen Seele also zwei Herzen wohnen, auch im Stein. Aus einem einzigen Marmorblock schneidet er drei ineinanderpassende stelenartige, innen hohle Skulpturen heraus. Wie dünnwandig und unendlich verletzlich der Stein plötzlich wird, zeigen die ausgerissenen Oberkanten, an denen der Marmor abbricht und gebirgspanorama-artige Spitzen stehen lässt. „Crumbling Peaks“, bröckelnde Gipfel, nennen sich die Werke aus Laaser Marmor. Skizzen brauche er nicht, die habe er im Kopf, sagt Herbert Golser. Das Allerhöchste der Gefühle in dieser Richtung sind kleine Zeichnungen als Gedankenstütze. Im Videoraum sind mit dem Film „Solare Aufzeichnungen“ weitere Recherchen des Künstlers zur besonderen Materialbearbeitung zu sehen. Mittels Lupen als Brenngläser, deren Position er entweder unverändert lässt oder täglich nachjustiert, lässt Golser die Sonne Formen ins Holz brennen. Über die Wochen schreiben sich in diesen stillen, fast poetischen Arbeiten so der Lauf der Sonne, Wind und Wolken ins Holz ein.
Zur Person
Bildhauer Herbert Golser
Geboren 1960 in Golling/Salzburg
Ausbildung Lehre für Elektromaschinenbau, Fachschule für Holz- und Steinbildhauerei in Hallein, Sommerakademie Salzburg, Akademie der bildenden Künste in Wien bei Bruno Gironcoli
Auszeichnungen Georg-Trakl-Förderpreis des Landes Salzburg, Theodor-Körner-Preis, Kunstpreis der Stadt Pöchlarn u.a.
Laufbahn Ausstellungen und Objekte im öffentlichen Raum
Wohnort Klein-Pöchlarn/Niederösterreich
Geöffnet im Bildraum Bodensee, Seestraße 5, Posthof, bis 9. Februar geöffnet, Di und Do von 13 bis 18 Uhr, Fr und Sa von 11 bis 16 Uhr. Lockdowninfo: bildrecht.at