Unsere Welt ist nicht auf Fels gebaut

Kultur / 23.12.2020 • 17:02 Uhr
Was ich im Wasser sahKatharina KöllerFrankfurter Verlagsanstalt320 Seiten

Was ich im
Wasser sah

Katharina Köller

Frankfurter Verlagsanstalt

320 Seiten

Ein bildstarkes literarisches Debüt.

Roman Den alten Kampf zwischen Gut und Böse hat die Burgenländerin Katharina Köller in ihrem Buch zum Thema gemacht. „Was ich im Wasser sah“ ist einerseits Familienroman, andererseits ein dystopischer Öko-Krimi der 1984 in Eisenstadt geborenen Theatermacherin. Er nimmt die Leser und Leserinnen mit in eine untergehende Welt, in der sich Wunderbares und Reales mischen. Klarissa verweigert nach einer Brustkrebserkrankung den Einsatz von Silikon und lässt ihren Oberkörper mit einem Oktopus tätowieren, weil Oktopusse Krebse fressen. Die angehende Filmemacherin und Fotografin begreift sich als Überlebende, die sich nun „nichts mehr wegnehmen“ lassen will. Ihr Bruder Bill überbringt schlechte Nachrichten aus der Familie, von der sie sich entfremdet hat, und holt sie zurück auf ihre Heimatinsel Ei, die von einem Öko-Großkonzern aufgekauft wird.

Träume und Erinnerungen

Das Bild ist geprägt von geschlossenen Geschäften, gläsernen Windrädern, Abholzungen und seltsamen schwarzen, wohnhausgroßen Halbsphären unbekannten Zwecks, die Klarissa „Zecken“ nennt, weil sie am Land zu saugen scheinen. „Ja, hier tut sich was“, kommentiert der Bruder. Sie fühlt sich als Schiffbrüchige, ihre Welt schwankt. Ihr wortkarger Vater betreibt als letzten Treffpunkt der Dörfler ein Gasthaus, genannt „Auf der Klippe“, das früher „Zur schwankenden Weltkugel“ hieß und nun „Admiral Benbow“. Zu ihrer geliebten, nicht leiblichen Schwester Irina, die ein Wasserwesen zu sein scheint, findet sie nur mühsam wieder einen Draht. Als Klarissa sich entscheidet, einen Film über die Insel zu drehen, wird ihr bewusst, dass hier einiges faul ist. Kursiv gesetzt erzählt der Roman in Einschüben eine zweite Geschichte, die einer Auflösung – oder vielleicht einer Anpassung?

Das großteils in der Ich-Form stehende Werk breitet sich auf über 300 Seiten aus. Manche Passagen sind wie ein Drehbuch verfasst. Piratenlieder, Träume, Kindheitserinnerungen und Anspielungen auf Stevensons „Schatzinsel“ ziehen sich durch. Als aktuelle Aspekte spielen die Übermacht von Konzernen, Umweltzerstörung, das Unbehagen angesichts einer fortschreitenden Technologisierung der Welt und die daraus resultierende Bedrohung für die bisherige Lebensweise hinein. Über allem steht die Frage, inwieweit wir uns in einer bröckelnden Welt anpassen können, die wir auf Fels gebaut wähnten.