Vesta Guhl ist so agil wie Miss Marple

Kultur / 26.02.2021 • 16:58 Uhr
Die Raststätte. Eine LiebeserklärungFlorian WernerHanser, Berlin159 Seiten

Die Raststätte. Eine Liebeserklärung

Florian Werner

Hanser, Berlin

159 Seiten

Es ist immer wieder schön, wenn neue Stimmen den literarischen Himmel erhellen. Ottessa Moshfegh hat eine davon.

Romane Moshfegh ist zwar schon etwas länger literarisch anwesend, so richtig zur Kenntnis genommen wird sie jedoch erst seit ihrer letzten Publikation „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“. Tatsächlich mit Spannung wurde ihr neuer Roman „Der Tod in ihren Händen“ erwartet. Abermals überrascht die US-Amerikanerin mit einer schwierigen Aufgabe: Eine alte, einsame Frau findet einen Zettel mit den Worten „Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche“ im Wald vor. Nur blöd, dass es hier keine Leiche und auch keine Indizien gibt. Aber die Frau hat nun eine Aufgabe und der Roman nimmt Fahrt auf. So erinnert Vesta Guhl, so heißt die alte Frau, zu Beginn durchaus an eine agile Miss Marple oder an die Serienheldin Jessica Fletcher. Sehr klug bringt die Autorin hier bereits kleine Szenarien einer möglichen Verfolgung ihrer Person ins Spiel und erzählt ansonsten aus ihrem Leben.

Im Dickicht der Gedanken

Mit der Zeit merkt man jedoch, dass mit Vesta Guhl selbst etwas nicht so ganz stimmt, dass sie zumindest nicht nur eine einzige Geschichte erzählt. Ihr verstorbener Ehemann Walter nimmt hier einen wichtigen Part ein, und auch die verschiedenen Orte, an denen sie schon gelebt hat, sind nicht uninteressant. Spätestens als sie im Internet die Anleitung zum Verfassen von Krimis findet, bespielt die Autorin eine zweite Ebene. Dazu sickern in die freundliche Welt der Vesta Guhl immer mehr dunkle Ereignisse der Vergangenheit ein. Patricia Highsmith lässt hier einmal mehr als Wegbereiterin grüßen, die so gut wie kein anderer die Leser voller Zuversicht mit auf den Irrweg nahm, um ihnen dann eine ganz andere Wahrheit zu präsentieren. Diese Drehungen gehen bei Moshfegh vielleicht einen Grad zu schnell, und wenn zu viel Überraschendes aus der Kiste kommt, droht auch Gefahr, dass beim Leser eine gewisse Gleichgültigkeit entsteht. Dennoch liest man gerne weiter, da auch die dunkle Welt der Vesta Guhl ihre Berechtigung hat.

Raststätte ohne Horror

Der Autor Florian Werner schrieb mit „Die Raststätte“ tatsächlich eine Liebeserklärung an eine Raststätte nahe der niedersächsischen Stadt Garbsen. In Garbsen muss man nicht gewesen sein, wahrscheinlich auch nicht in der Raststätte an der Autobahn Garbsen-Nord. Dennoch kennt jeder Autofahrer so eine Raststätte. Der Autor schreibt sehr unterhaltsam und nicht ohne Satirisches. In einem Land, wo der Individualverkehr fast schon zu einem Grundrecht gehört, ist es sonderbar, dass Autobahntankstellen und Raststätten eher den Ruf haben, dass man schnell wieder weg soll, bevor noch etwas passiert. Ist alles halb so schlimm, wie Florian Werner zu berichten weiß.

Am besten funktioniert das Buch, wenn der Autor Personen im Blick hat, die an der Raststätte oder im Umfeld von ihr arbeiten. Da wäre der Pächter, der stolz mit dem Gästebuch aufwartet, welches mit Eintragungen von seinerzeitigen Größen wie Alfred Biolek oder Udo Jürgens einen Eindruck davon hinterlässt, wer so alles auf Tour war. Da wäre der Mann, der, um sich seine Rente aufzubessern, tagein tagaus die Raststätten auf Pfandflaschen abklappert. Der Postenkommandant der Autobahnpolizei, bringt es auf den Punkt: Es passiert eigentlich wenig, wenn nicht gerade ein 20-Tonner ausgeräumt wird. Am häufigsten werden Betrunkene von entnervten Fahrern aus dem Flixbus geworfen. Die Realität findet fernab von TV-Serien statt und ist fast beschaulich.

Der Tod in ihren HändenOttessa MoshfeghHanser Berlin255 Seiten

Der Tod in ihren Händen

Ottessa Moshfegh

Hanser Berlin

255 Seiten